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Biosprit: Vorteile - Nachteile - Verschlingt viel fossile Energie

, aktualisiert am

E 10: Die Beimischung von Agrotreibstoffen (bzw. Biokraftstoffen) wurde lange Zeit als elegante Möglichkeit gesehen, die Erdölabhängig­keit zu verringern und die Treibhausbilanz zu verbessern. Doch die Vorteile von Biosprit scheinen zu gering und die Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion ist zu groß. - Tipp: Lesen Sie auch die Reaktionen am Ende des Artikels.

Die EU rudert zurück, das Thema E10 ist ­vorerst vom Tisch. Benzin mit zehn Prozent Alkohol-Beimengung wird also in Österreich so schnell nicht kommen. Einerseits wird dessen ökologische Sinnhaftigkeit stark angezweifelt, andererseits handelt es sich auch wirtschaftlich um ein sehr heikles Thema. Ganz abgesehen davon gibt es Motoren, die den erhöhten Alkoholanteil im Kraftstoff nicht vertragen.

Ursprüngliche Idee: weniger Erdölimporte

Dabei schien die ursprüngliche Idee von Biosprit über­zeugend: Anstatt immer knapper und damit teurer werdendes Erdöl importieren zu müssen, können wir agrarische Rohstoffe im ­eigenen Land ernten. Die österreichische Landwirtschaft könnte durch die Ethanol-Produktion (auch Biosprit oder Bioethanol genannt) ihre Überschüsse an weniger hochwertigem Weizen und Mais leichter vermarkten.

Biosprit-Anlagen in Österreich

Immerhin wurde im niederösterreichischen Pischelsdorf 2008 eine Anlage zur Herstellung von Ethanol in Betrieb genommen. Die Kapazitäten liegen wahrscheinlich nicht ­zufällig in der Größenordnung des österreichischen Bedarfs an zehnprozentiger Ethanol-Beimengung zum Benzin.

Benzin enthält bereits 5% Ethanol

Nun wird aber nichts daraus. Das ist auch kein Drama, denn schon jetzt enthält Benzin fünf Prozent Ethanol. Damit ist der Straßenverkehr längst ein sicherer Kunde für Ethanol-Hersteller, zumal diese fünfprozentige Beimengung auch von der Mineralölsteuer befreit ist.

Geringes Risiko für die Motoren

Geringes Risiko für die Motoren

Ein geringer Anteil Ethanol im Benzin ist sogar wünschenswert, weil es in einer speziellen chemischen Verbindung als sogenannte Klopfbremse fungiert und somit als Ersatz für eine früher beigemengte giftige Bleiverbindung dient. Die derzeitige fünfprozentige Ethanol-Beimengung entstammt einem langfristigen Stufenplan der EU zur sukzessiven Erhöhung des Ethanol-Anteils.

Die Motoren vertragen Ethanol problemlos, wenn sie ­darauf ausgelegt sind. Das betrifft vor allem die Treibstoffzufuhr. Bei alten Motoren kann Ethanol durch seine reinigende Wirkung Verschmutzungen auswaschen und in der Folge zu Defekten führen. Etwa zehn Prozent der derzeit im Verkehr befindlichen Autos ver­tragen keinen erhöhten Ethanol-Gehalt.

E85: höherer Verbrauch

Nach langer Unklarheit, die dazu beitrug, die Einführung von E10 in Deutschland zu verzögern, sind die Fahrzeughersteller mittlerweile auch in der ­Lage, die betroffenen Typen zu nennen. Ethanol hat übrigens eine geringere Energiedichte als Benzin, weshalb durch die Ethanol-Bei­mischung der Verbrauch etwas ansteigt. Das ist vor allem bei E85 von Bedeutung, ­einem Benzin mit 85-prozentiger Ethanol-Beimischung.

Zwei Dutzend Tankstellen in Ostösterreich

Dieses SuperEthanol wird in Ostösterreich quasi unter Ausschluss der ­Öffentlichkeit an etwa zwei Dutzend Tankstellen angeboten. Sogenannte FlexiFuel-Modelle (z.B. von Ford, Volvo) vertragen das; sie können aber auch mit herkömmlichem Benzin fahren.

Fragwürdige Energiebilanzen

Fragwürdige Energiebilanzen

Obwohl es für Energiebilanzen sogar internationale Normen gibt, fallen die Ergebnisse in ein und demselben Fall oft extrem unterschiedlich aus. Bei der Herstellung von Ethanol entstehen auch große Mengen an Futtermittel, ähnlich wie beim Schnapsbrennen die Maische. Diese könnten den Import von Soja aus Brasilien oder anderen fernen Ländern zumindest zum Teil ersetzen.

Wirtschaftlich und ökologisch nicht zu rechtfertigen

Eine Ethanol-Produktion in Österreich, sozusagen für den Eigenbedarf, ließe sich damit wenigstens moralisch noch einigermaßen rechtfertigen; wirtschaftlich wegen steigender Weizen- und Maispreise hingegen kaum – und öko­logisch überhaupt nicht.

Denn schon beim Anbau von Weizen oder Mais werden Düngemittel benötigt, die wiederum durch Einsatz erheblicher Mengen Erdöl hergestellt werden. Die Feldarbeit wird mit dieselgetriebenen Fahrzeugen verrichtet.

Ethanol-Erzeugung verschlingt viel fossile Energie

Auch bei der Ethanol-Erzeugung wird Großteils Energie fossiler Herkunft eingesetzt. Das heißt, ein erheblicher Anteil jener Energie, die Ethanol liefert, muss vorher in Form fossiler Energie in den Herstellungsprozess investiert werden (bis zu 0,8 Liter Erdöl für 1 Liter Ethanol). Auf diese Weise bewegt man sich sehr weit weg von der Idealvorstellung eines CO2-armen oder gar CO2-freien Kraftstoffs.

Mehr Importe, wenig Kontrolle über Produktionsbedingungen

Zuckerrohr, Weizen oder Mais

Die wirtschaftlichste und effizienteste ­Methode der Ethanol-Herstellung ist jene aus Zuckerrohr – Brasilien ist der weltweit zweitgrößte Ethanol-Produzent. An erster Stelle liegen die USA mit etwa der doppelten Menge. Dort wird Ethanol wie in Europa vorzugsweise aus Weizen oder Mais hergestellt. Auch Zuckerrüben wären für die Ethanol-Herstellung geeignet, hätten aber einen zu geringen Proteingehalt im Eiweißfuttermittel zur Folge, das als Nebenprodukt anfällt.

Mehr Ethanol-Importe wären die Folge

Wie auch immer: Mit steigendem Ethanol-Gehalt im Benzin ist Europa nicht mehr in der Lage, sich selbst ausreichend mit Ethanol zu versorgen. Es müsste also von weit her importiert werden und die Bedingungen, unter denen es produziert wird, wären schwer zu kontrollieren und zu beeinflussen.

Die internationale Verflechtung der Rohstoffmärkte lässt ohnehin jedes Argument zum Thema "unabhängige Versorgung" verpuffen. Ob Öl, Biotreibstoffe oder Lebensmittel, die globale Dimension muss bei jeder lokalen Entscheidung mit berücksichtigt werden.

Lebensmittelproduktion verdrängt

Dass absurde Preissprünge an Börsen bei ­Lebensmitteln immer wieder stattfinden, ist unbestritten. Die Schuld für Lebensmittelknappheit und Hunger jedoch ausschließlich auf die Spekulation zu schieben, ist nicht ­seriös. Nachweislich waren die Ursachen für steigende Preise im heurigen Sommer weltweite Dürrephasen mit erheblich geringeren Erträgen, von den USA bis Russland.

Verteuerung von Mais

Massive Steigerungen der Ethanol-Produktion in den USA haben schon vor Jahren zu einer erheblichen Verteuerung von Mais geführt, dem Hauptnahrungsmittel der armen Bevölkerung in weniger entwickelten Ländern. Auch wenn Zuckerrohr in Brasilien weit südlich der Amazonasregion angebaut wird (wo dafür Regenwald gerodet werden müsste), so führt die Ausweitung des Anbaus doch zur Verdrängung anderer landwirtschaftlicher Tätigkeiten in ökosensible Gebiete.

Korruption, Ressourcenausbeutung, Verarmung

Oder noch dramatischer: Viele Länder Afrikas sind schon durch globale Entwicklungen der Agrarindustrie in den vergangenen Jahrzehnten unter Druck geraten. Ob beim ­Anbau von Kaffee oder von Ölpflanzen: Mangelnde demokratische Kontrolle hat vielerorts eine ­gnadenlose Ressourcenausbeutung und die ­endgültige Verarmung der lokalen Bevölkerung zur Folge, Stichwort Land Grabbing (fragwürdige Aneignung von Land).

Keine Lösung für Treibhausproblematik

Untersuchungen des Technologie­ministeriums (BMVIT) zum Thema Ethanol-Herstellung im Senegal kamen zu folgendem Ergebnis: Trotz ungünstigster Voraussetzungen für den ­Anbau von Energiepflanzen ist dieser selbst dort, am Rand der Sahelzone, technisch durchaus möglich – allerdings mit ­katastrophalen längerfristigen Folgen für Land und Leute.

Agrotreibstoffe für globalen Kraftstoffbedarf ungeeignet

So erkennt man bei globaler Betrachtung, dass sich für die Ethanol-­Er­zeugung nicht nur die CO2-Bilanz aufgrund der langen Transportwege verschlechtert, sondern auch lokale Märkte in den armen Ländern bedroht sind.

Als Universallösung für eine Unab­hängigkeit vom Erdöl und zur Verminderung der Treibhausproblematik, wie gerne betont wird, scheinen Agrotreibstoffe ohnehin ­ungeeignet. Dazu ist der weltweite Bedarf an Kraftstoffen für den Verkehr einfach zu groß.

Zusammenfassung

  • Abkehr von Biosprit. Die Einführung von E10 wurde wegen starker Bedenken ausgesetzt.
  • Kaum CO2-Vorteil. Bei der Herstellung von Bioethanol müssen große Mengen an fossiler Energie investiert werden, von einer CO2-freien Alternative kann keine Rede sein.
  • Bei globaler Betrachtung negativ. Eventuell bestehende Vorteile aus regionaler Sicht dürfen nicht zu einem Ausblenden der verheerenden globalen Auswirkungen führen. Die Konkurrenz um landwirtschaftliche Flächen würde die Nahrungsmittelproduktion zurückdrängen oder zumindest erheblich verteuern.

Leserreaktionen

Energie im Inland erzeugen

In alter Zeit kannte man die Fruchtfolge, bei der auf einem Viertel der landwirtschaftlichen Fläche nichts angebaut, sondern eine Weidefläche für das Pferd (den Vorläufer von Traktor und Fahrzeug) belassen wurde. Im Sinne der Globalisierung haben wir die „Energiegewinnungsflächen“ weit weg, in die Golfregion und in die Meere verlegt und können unsere Agrarflächen intensiv nutzen.

Solange wir ein Drittel unserer Nahrungsmittel wegwerfen, finde ich am Gedanken, aus der Ernte Biosprit zu destillieren, nicht gar so viel Böses; im Gegenteil: Wir müssen uns wieder daran gewöhnen, die Energie aus landwirtschaftlicher Produktion im Inland zu erzeugen. Es sollte uns dabei beizeiten etwas Sinnvolleres als Brotgetreide einfallen.

Ferdinand W. Schnabl
St. Radegund
(aus KONSUMENT 12/2012)

Reaktion der Landwirtschaftskammer

Die Landwirtschaftskammer schickte uns folgende Stellungnahme:

Niveauloses Konsument-Pamphlet über Bioethanol: Verwirren statt Informieren?

Von der Monats-Zeitschrift Konsument“ des VKI erwartet man sich gut recherchierte und aufbereitete Information. Was in der November-Ausgabe zu Bioethanol zusammengeflickt wurde, überbietet aber leider selbst übelste Schmähschriften mit einem unsäglichen Wirr-Warr aus Widersprüchen. Nach dem Motto „Glauben statt Wissen“ hat ein anscheinend überforderter Autor einen offensichtlichen Auftrag zur „Desinformation“ über Bioethanol erfüllt. Mit neutraler Konsumenteninformation hat der Artikel jedenfalls nicht im Entferntesten etwas zu tun.

Einige Beispiele:

Fehlinformation des Konsument: Bioethanol spart kaum CO2 ein
Richtig ist: Bioethanol aus Österreich spart bis zu 70 % Treibhausgase gegenüber konventionellem Benzin ein, wie komplexe „Quelle-zu-Rad“-Analysen des Joanneum-Research belegen. Dabei werden auch alle indirekten Energieflüsse (Dieselbedarf für Feldarbeit, Energiebedarf bei Düngerherstellung, etc.) bereits berücksichtigt.

Fehlinformation des Konsument: Brot im Tank – Konkurrenz zwischen Rohstoffverwendung für Bioethanolproduktion und Nahrungsmittelproduktion ist zu groß
Richtig ist: Für Brot geeigneter Qualitätsweizen wird nicht als Rohstoff für Bioethanol verwendet. Für die technische Verwendung kommen bei der Bioraffinerie Pischelsdorf geringwertige Getreidequalitäten zum Einsatz, wobei nur eine Teilmenge der gewonnenen Stärke zur Bioethanolerzeugung dient. Der Eiweißanteil und die Faserstoffe werden zur Gänze zu hochwertigen gentechnikfreien Futtermitteln verarbeitet. Die heimische Erzeugung von Bioethanol aus regional verfügbaren Rohstoffen ersetzt auf diesem Weg Sojaimporte für Futterzwecke im Ausmaß von rund 65.000 Hektar Sojaanbaufläche aus anderen Teilen der Welt. Der Titel „Brot im Tank“ des Artikels und die zugehörigen Ausführungen sind schlichtweg ein völliger Unsinn!

Fehlinformation des Konsument: Bioethanolerzeugung in Österreich treibt den Mais- und Weizenpreis
Richtig ist: Die Mais- und Weizenpreise auf den internationalen und nationalen Agrarbörsen schwanken unabhängig von der Biotreibstoffproduktion in den letzten Jahren verstärkt in beide Richtungen. Eine der engsten Korrelationen der Preisentwicklungen für Weizen besteht mit der globalen Entwicklung des Rohölpreises, so sind die Weizenpreise bis Mitte 2008 parallel zum Ölpreis rasch angestiegen, und danach - trotz weiter steigender Biotreibstoffproduktion – parallel mit dem Ölpreis massiv eingebrochen. Die durch die Klimabelastung aus der Ölverbrennung resultierenden Unwetter- und Dürrekatastrophen haben in den letzten Jahren wiederholt zu unerwarteten Preisausschlägen bei agrarischen Rohstoffen geführt. Die Substitution von klimaschädlichem Benzin durch Bioethanol mit einer Treibhausgasemissionseinsparung von bis zu 70% dient daher auch zur Entlastung der Preisausschläge.

Die Liste der Fehlinformationen des Konsument zu Bioethanol könnte noch lange fortgesetzt werden. Es bleibt jedenfalls zu hoffen, dass der VKI bei anderen Themenbereichen den Auftrag der neutralen Konsumenteninformation ernster nimmt und sich nicht von voreingenommener Meinungsmache treiben lässt.

Dipl.-Ing. Alexander Bachler
Referat Energiewirtschaft und –politik
Landwirtschaftskammer Österreich

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  • Abfall vermeiden, Ressourcen schonen
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160 Seiten, 14,90 € + Versand

KONSUMENT-Buch: Nachhaltig leben (Bild:VKI)

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