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Vertragsänderungen - Friss oder stirb

Unter bestimmten Voraussetzungen müssen geplante Vertragsänderungen den Konsumenten lediglich mitgeteilt werden. Wer nicht widerspricht, akzeptiert sie. Doch die Hinweise erfolgen oft so dezent, dass Kunden sie einfach übersehen.

stillschweigende Vertragsveränderung

Als A1 Anfang dieses Jahres ankündigte, die Grundgebühren sämtlicher Handytarife um 2,75 Euro zu erhöhen und dafür 1.000 Freiminuten für Anrufe zu 05er-Nummern zu bieten (05er-Nummern werden u.a. von Banken und Versicherungen verwendet), häuften sich in unserer Rechtsabteilung die Anfragen. Wer nicht widerspricht, stimmt zu, hatte es sinngemäß geheißen. Können Unternehmen Verträge ohne ausdrückliche Zustimmung der Kunden ändern? Unter bestimmten Voraussetzungen ja, lautet die Antwort unserer Rechtsexperten.

Strenge Vorgaben bei einseitigen Vertragsveränderungen

Der Reihe nach: Bestehende Verträge können entweder einvernehmlich oder einseitig geändert werden. Während einvernehmliche Vertragsänderungen jederzeit und ohne inhaltliche Einschränkungen möglich sind, gelten für einseitige Vertragsänderungen zum Schutz der Konsumenten strenge gesetzliche Vorgaben. Demnach muss die Möglichkeit, einen Vertrag einseitig zu ändern, bereits Teil der Vertragsbedingungen sein. Einseitige Vertragsänderungen sind zudem nur innerhalb eines engen gesetzlichen Rahmens erlaubt: Preisänderungen müssen in der Vertragsklausel unter anderem an einen objektiven Parameter (z.B. den Verbraucherpreisindex) geknüpft sein; Leistungsänderungen haben zumutbar, das heißt sowohl geringfügig als auch sachlich gerechtfertigt zu sein. So weit die Theorie.

VKI klagt erfolgreich

Doch in der Praxis entsprechen die Klauseln, in denen die Art und Weise künftiger einseitiger Vertragsänderungen festgelegt ist, nicht immer den gesetzlichen Bestimmungen. Der VKI hat bereits eine Reihe von Unternehmen (darunter etliche Banken) mit Verbandsklage erfolgreich auf Unterlassung gesetzwidriger Klauseln geklagt. Durch die Judikatur zu diesen Verbandsklagen wurden die Möglichkeiten für einseitige Vertragsänderungen weiter eingeschränkt. Für viele Unternehmen sind sie daher nicht mehr attraktiv.

Schweigen als Zustimmung

Einvernehmlich geändert

Also doch besser eine einvernehmliche Vertragsänderung. Es kann ein Unternehmen allerdings teuer kommen, bei geplanten Änderungen die ausdrückliche Zustimmung jedes einzelnen Kunden einzuholen. Das muss auch nicht sein. Denn gemäß Konsumentenschutzgesetz gibt es für Unternehmen die Möglichkeit, eine sogenannte „Erklärungsfiktion“ in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufzunehmen.

Das bedeutet, dass der Unternehmer verpflichtet ist, dem Kunden die geplante Änderung mitzuteilen (oft als Änderungsangebot bezeichnet), eine angemessene Frist zum ausdrücklichen Widerspruch zu setzen (falls der Kunde das Angebot nicht annehmen will) und darauf hinzuweisen, welche Konsequenzen es für den Kunden hat, wenn er schweigt. Widerspricht der Kunde nicht, dann gilt sein Schweigen als Zustimmung und die Vertragsänderung als einvernehmlich. Ist im Kleingedruckten allerdings keine entsprechende Klausel enthalten, kann das Schweigen nicht als Zustimmung ausgelegt werden.

AGB genau lesen

Um sich vor unliebsamen Überraschungen zu schützen, muss man die Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor einem Vertragsabschluss schon ganz genau lesen. „Unternehmen weichen jetzt immer mehr auf eine einvernehmliche Vertragsänderung im Weg der Erklärungsfiktion aus“, sagt Dr. Peter Kolba, Leiter der VKI-Rechtsabteilung. „Solche Vertragsänderungen erfolgen oft unbemerkt. Wer den Hinweis zur Vertragsänderung übersieht, verpasst die Frist zum Widerspruch und hat dann geänderte Vertragsbedingungen.“

Plötzlich höhere Grundgebühr

Zahlreiche Beschwerden empörter Konsumenten beweisen: Informationen über Vertragsänderungen werden oft zu spät oder gar nicht entdeckt. Telekom-Unternehmen weisen auf Vertragsänderungen in der Regel auf der Rechnung hin. Nun erhalten aber viele Kunden – nicht zuletzt, weil sie von den Unternehmen dazu gedrängt wurden – Online- Rechnungen. Diese werden vor allem bei Verträgen mit Flatrate nicht mehr genau kontrolliert. Zumindest, solange die verrechneten Gebühren nicht wesentlich von den üblichen Rechnungsbeträgen abweichen.

A1 beispielsweise hatte das Angebot zur Vertragsänderung auf einer Monatsrechnung gemacht. Das erfuhren aber nur jene Kunden, die ihre Rechnung genau lasen. Die anderen versäumten die Frist zum Widerspruch. Dass sie dann eine höhere Grundgebühr zahlen mussten, merkten viele erst, als diese das erste Mal verrechnet wurde.

Bedingungen (ungewollt) schweigend zustimmen

Bankkunden fanden Hinweise auf Vertrags- oder Entgeltänderungen früher oft ausschließlich auf Kontoauszügen. Oder eben nicht. Denn Kontoauszüge werden in der Regel von den Kunden im Foyer selbst ausgedruckt. Wer längere Zeit keinen Kontoauszug ausdruckte und deswegen die Frist für den Widerspruch verpasste, hatte Pech gehabt.

Banken ist es mittlerweile gesetzlich untersagt, ausschließlich auf selbst abzuholenden Kontoauszügen auf Vertragsänderungen hinzuweisen. Energieversorger, um ein weiteres Beispiel zu nennen, informieren über geplante Vertragsänderungen mitunter nur in der Kundenzeitschrift. Wer die Zeitschrift als Werbung einstuft und ungelesen wegwirft, stimmt den neuen Bedingungen schweigend zu.

Widerspruch einlegen

Handeln, damit alles beim Alten bleibt

Es ist zeitaufwendig und mühsam – doch will man nicht unversehens einen geänderten Vertrag haben, führt am akribischen Lesen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und dem genauen Kontrollieren von Rechnungen und Informationsmaterial der Vertragspartner kein Weg vorbei. Hat ein Unternehmen in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Erklärungsfiktion vorgesehen und weist dieses Unternehmen Sie nun auf eine – für Sie unattraktive – anstehende Vertragsänderung hin, dann herrscht Handlungsbedarf.

Soll der Vertrag nicht geändert werden, müssen Sie innerhalb der vorgegebenen Frist schriftlich Widerspruch einlegen. Ein kurzes Schreiben („Ich widerspreche der Vertragsänderung vom xx.xx.xxxx“) reicht aus. Behalten Sie eine Kopie des Schreibens und geben Sie den Brief eingeschrieben auf. Kontrollieren Sie später, ob der Vertrag auch tatsächlich unverändert geblieben ist. Falls nicht, wenden Sie sich an uns. Unsere Experten werden den Fall überprüfen und allenthalben erforderliche weitere Schritte veranlassen.

A1 Vertragsänderung

Um noch etwas näher auf das eingangs erwähnte Beispiel einzugehen: A1 hat 2009 in seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Erklärungsfiktion aufgenommen. Kunden, die von der geplanten Vertragsänderung rechtzeitig erfahren hatten und sie nicht akzeptieren wollten, mussten je nachdem, wann sie ihren Vertrag abgeschlossen hatten, unterschiedllich agieren. Wer seinen Vertrag nach dem 2.6.2009 abgeschlossen hatte, musste der Vertragsänderung widersprechen, damit sie nicht in Kraft trat. Wer seinen Vertrag vor dem 2.6.2009 abgeschlossen hatte, konnte den Vertrag nun kündigen.

Wichtig zu wissen: Unternehmen sind nicht verpflichtet, Verträge nach erfolgtem Widerspruch aufrechtzuerhalten, sie können sie aufkündigen. Es wäre daher günstig, wenn Sie Ihrerseits rechtzeitig Alternativlösungen andenken.

Interview Dr. Peter Kolba VKI-Rechtsabteilung

„Bei den neuen Internetservicegebühren werden wir genau hinsehen“ - Viele Konsumenten beklagen sich derzeit darüber, dass sie von ihrem Internetprovider eine jährliche „Internetservicegebühr“ untergejubelt bekommen haben. Sie halten das für gemeine Abzocke.

Wie denken Sie über diese Internetprovidergebühren?

Dr. Peter Kolba

Dr. Peter Kolba
VKI-Rechtsabteilung

Im Prinzip sind das versteckte Preiserhöhungen, die den ohnehin mühsamen Preisvergleich nochmals erschweren. In den bisher bekannten Fällen ist derzeit davon auszugehen, dass die Vorgangsweise wohl wenig kundenfreundlich ist, aber letztlich gesetzeskonform. Wir werden uns aber in nächster Zeit die Werbung der Anbieter besonders genau ansehen und gegen Irreführungen mit Klagen vorgehen.

Welche Möglichkeiten haben Konsumenten in so einem Fall?

In den meisten Fällen wohl nur jene, den Provider zu wechseln; mit dem Risiko, dass ihnen bei einem anderen Ähnliches widerfährt. Und natürlich wissen die Unternehmen auch, dass ein Providerwechsel mit vielen Unannehmlichkeiten für den Kunden verbunden ist.

Was raten Sie den Konsumenten?

Wer sich auf die papierlose Rechnung eingelassen hat oder dazu eben sanft „gezwungen“ wurde, muss wissen, dass er damit den Unternehmen einseitige Vertragsänderungen letztlich erleichtert. Dagegen gibt es nur ein Mittel: kontrollieren, kontrollieren, kontrollieren. Und da, wo bestehende gesetzliche Regelungen umgangen werden, werden wir ohnehin aktiv.

 

Zusammenfassung

  • Gut versteckt. Hinweise auf geplante Vertragsänderungen sind oft unauffällig platziert und werden vor allem auf Online-Rechnungen leicht übersehen.
  • Genau kontrollieren. Überprüfen Sie regelmäßig Ihre Rechnungen, lesen Sie die Informationsmaterialien Ihrer Vertragspartner.
  • Widerspruch. Erheben Sie innerhalb der vorgegebenen Frist schriftlich Widerspruch, wenn Sie eine angekündigte Vertragsänderung nicht akzeptieren wollen. Nach Verstreichen dieser Frist ist es zu spät.

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