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Veranstaltung abgesagt: Gutschein statt Geld zurück - Kritik an verpflichtender Gutscheinlösung

, aktualisiert am

Gutscheine statt Geld zurück. Wurde eine Veranstaltung abgesagt, dann hatten Kunden bislang den Ticketpreis zurückzuerhalten. Die Regierung hat dies nun im Sinn der Veranstalter geändert. 

Corona brachte die Absage tausender Veranstaltungen. Kunden hatten Tickets bezahlt und keine Leistung erhalten. Die Rechtslage war bis jetzt eindeutig: Wird eine Veranstaltung abgesagt, so das EU-Recht, dann haben Kunden einen Anspruch darauf, den Ticketpreis zurückzuerhalten. Geld zurück. Sie mussten auch keiner Verlegung zustimmen. Ein neues Gesetz ändert die Situation und bedeutet eine massive Einschränkung von Konsumentenrechten bei abgesagten Veranstaltungen.

Gutschein statt Geld

Die von etlichen Veranstaltern im Kultur- und Sportbereich geforderte Gutscheinlösung für gekaufte Tickets ist nun Realität. Das entsprechende Gesetz wurde am 28.4.2020 im Nationalrat beschlossen. Veranstalter müssen das bereits empfangene Geld der Konsumenten bei Entfall der Veranstaltung nicht mehr zurückzahlen. Stattdessen können sie den Kunden – großteils – Gutscheine geben. Schon im Vorfeld hatten wir dieses Vorhaben kritisiert; Das neue Gesetz schränkt den Anspruch der Kunden auf Geld zurück stark ein. Österreichisches Recht (wirtschaftsfreundlich) hebelt also vorübergehend EU-Recht (konsumentenfreundlich) aus.

Um welche Veranstaltungen geht es?

Das Gesetz gilt für den Entfall von Kunst-, Kultur- oder Sportereignissen und die Schließung von Kunst- oder Kultureinrichtungen. Das sogenannte Kunst-, Kultur- und Sportsicherungsgesetz (KuKuSpoSiG) umfasst Veranstaltungen, die nach dem 13.3.2020 bis zum 31.12.2020 hätten stattfinden sollen bzw. Schließungen, die nach dem 13.3.2020 durchgeführt wurden. Der Grund für den Entfall oder die Schließung muss die COVID-19-Pandemie sein. Das Gesetz bezieht sich auf:

  • Konzerte
  • Opernaufführungen
  • Theateraufführungen
  • Filmvorführungen
  • Performances
  • Schließung von Kunst- oder Kultureinrichtungen (z.B. Besuch von Museen oder Kulturdenkmälern)
  • Sportereignisse (z.B. Profi-Tennisturniere, Ligaspiel zweier Fußballklubs, Wien-Marathon)

Das Gesetz gilt nicht, wenn der Veranstalter eine Gebietskörperschaft (Bund, Länder, Gemeinden) ist. 

Die wichtigsten Punkte der Gutschein-Regelung auf einen Blick

  • Gutschein für die Kleinen: Für Tickets bis zu einem Wert von 70 Euro kann der Veranstalter einen Gutschein ausstellen. Diese Regelung gilt für einzelne Veranstaltungen, auch wenn man mit einem Kauf mehrere Kunst-, Kultur-, oder Sportereignisse bucht.
  • Gutschein und Geld: Für Tickets zwischen einem Wert von 70 Euro und 250 Euro, kann der Veranstalter einen Gutschein im Wert von 70 Euro ausstellen. Der darüber hinausgehende Betrag ist auszubezahlen.
  • Geld für die Großen: Für teurere Karten im Wert von über 250 Euro kann man sich bis zu 180 Euro auszahlen lassen. Für den Restbetrag kann der Veranstalter einen Gutschein ausstellen.
  • Gültig bis Ende 2022: Ein etwaiger Betrag, der den addierten Gesamtwert von 250 Euro übersteigt, wird wiederum in einen Gutschein umgewandelt. Gültig: bis Ende 2022.
  • Rückzahlung später: Wurden die Gutscheine bis dahin (Ende 2022) nicht konsumiert, hat man Anspruch auf eine Rückerstattung.

Details lesen Sie hier:Gutschein statt Geldrückzahlung S.2: Die Gutschein-Regelung im Detail.

Verpflichtende Gutscheine: verfassungsrechtliche Bedenken

Mag. Thomas Hirmke, Leiter der VKI-Rechtsabteilung (Foto: Thörisch)"Einige Verbraucher sind derzeit bereit, Gutscheine zu akzeptieren und das ist erfreulich. Ein Zwang zu Gutscheinen ist aber weiterhin entschieden abzulehnen", kritisiert Mag. Thomas Hirmke, Leiter des Bereichs Recht im VKI, das neue Gesetz. Gegen die Beschränkungen der Rückzahlungsverpflichtung einschließlich der Verpflichtung zur Annahme eines Gutscheins bestehen überdies massive verfassungsrechtliche Bedenken (rückwirkender Eingriff ins Eigentumsrecht).  

Eine hilfsweise Finanzierung von Veranstaltern in Krisenzeiten ist zwar nachvollziehbar, aber nicht Aufgabe der Konsumenten, sondern der Banken oder des Staates. „Bei der aktuellen Lösung soll der kleine Mann die großen Veranstalter finanzieren.“ so Hirmke. Es ist schließlich auch keineswegs gesichert, dass diese Maßnahmen den Kulturschaffenden selbst zu Gute kommen. Geschützt werden in erster Linie die Veranstalter.

Überwälzung des Insolvenzrisikos an Konsumenten

Das neue Gesetz (KuKuSpoSiG) sieht keine Insolvenzabsicherung für Gutscheine vor. Stellt der Veranstalter einen Gutschein aus und geht er in der Folge in Konkurs, bekommen Sie als Gutscheininhaber in aller Regel nichts heraus. Gutscheininhaber erhalten in diesem Fall maximal eine Insolvenzquote, was bei verpflichtender Zahlung der Gerichtsgebühr im Insolvenzverfahren in der Höhe von 23 Euro faktisch einen Totalverlust bedeutet. „Ohne einer Insolvenzsicherung werden die Verbraucher im Ergebnis Veranstaltern einen zinslosen Zwangskredit ohne Sicherheiten gewähren.“, so Hirmke.

Vorab hatten wir uns als Verein für Konsumenteninformation (VKI) für eine Gutschein-Regelung auf freiwilliger Basis eingesetzt. Denn auch viele Verbraucher sind arbeitslos geworden, müssen ihre Rechnungen bezahlen und brauchen jeden Euro. Wir lehnen die neue Regelung also entschieden ab. Wir sagen: Konsumenten dürfen nicht zur Finanzierung der Veranstalter herangezogen werden.  

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Die Gutschein-Regelungen im Detail

Entgelt bis zu 70 Euro

Für Tickets in dieser Preiskategorie kann der Veranstalter einen Gutschein ausstellen.

  • Wenn man mit einem Kauf mehrere Veranstaltungen bucht, bezieht sich diese 70-Euro-Gutschein-Regel auf jedes einzelne Kunst-, Kultur- oder Sportereignis und nicht auf den gesamten Vertrag. Hat ein Besucher z.B. Tickets für drei Kulturereignisse gekauft bzw. gebucht, kann der Veranstalter für jedes dieser drei Ereignisse einen Gutschein bis zu 70 Euro ausstellen.  
  • Gleiches gilt bei mehrtägigen Veranstaltungen, zum Beispiel einem Musikfestival. Auch hier kann der Veranstalter für jeden einzelnen Veranstaltungstag einen eigenen Gutschein von bis zu 70 Euro ausstellen.

Entgelt zwischen 70 Euro und 250 Euro

  • Wenn das zurückzuzahlende Entgelt zwischen 70 Euro und 250 Euro betragen würde, kann der Veranstalter bis zum Betrag von 70 Euro einen Gutschein ausgeben. Der darüber hinausgehende Betrag ist auszubezahlen.

Beispiel: Beträgt der zurückzuerstattende Betrag EUR 90,--, so kann der Veranstalter einen Gutschein in der Höhe von 70 Euro ausgeben und 20 Euro müssen zurückbezahlt werden.

Entgelt über 250 Euro 

  • Der Veranstalter muss den Betrag von 180 Euro zurückzahlen. Für den darüber hinausgehenden Betrag kann er einen Gutschein ausstellen.

Beispiel: Beträgt der zurückzuzahlende Betrag 290 Euro, so kann der Veranstalter einen Gutschein in der Höhe von 110 Euro ausgeben, 180 Euro müssen zurückbezahlt werden.

Veranstalter darf Gesamtbetrag als Gutschein ausstellen

Aufgepasst, folgende Auslegung der Regelung ist besonders nachteilig für Konsumenten! Veranstalter dürfen dem Verbraucher zunächst einen Gutschein über den gesamten Betrag (also z.B. auch 200 Euro) ausstellen. Möchte der Verbraucher den über 70 Euro liegenden Betrag (hier 130 Euro) ausbezahlt bekommen, muss er das ablehnen. In der Folge muss der Veranstalter den über 70 Euro liegenden Betrag auszahlen. Das Gesetz sieht keine eigene Informationspflicht dazu vor. Der Veranstalter hat also nicht die Pflicht, Sie darüber zu informieren.

Gültig bis Ende 2022

Hat der Inhaber den Gutschein nicht bis zum 31.12.2022 eingelöst, hat ihm der Veranstalter den Wert des Gutscheins auf Aufforderung unverzüglich auszuzahlen. Dieses Verlangen auf Rückzahlung sollte soweit konkretisiert sein, dass der Veranstalter auf seiner Grundlage die Auszahlung vornehmen kann (z.B. mit Angabe der Kontoverbindung). Eine Verzinsung des Gutscheins ist laut Erläuterungen nicht vorgesehen.

Die Gutscheine sind übertragbar. Für die Ausstellung, Übersendung oder Einlösung des Gutscheins dürfen dem Besucher oder dem späteren Inhaber des Gutscheins keine Kosten angelastet werden. Nach den Erläuterungen darf der Veranstalter nicht bestimmte Kunst-, Kultur- oder Sportereignisse von der (Teil-)Bezahlung mittels Gutscheins ausnehmen.

Ist der Besucher oder Gutscheininhaber ein Verbraucher, kann auch durch Vereinbarung nicht zu seinen Lasten von den geltenden Bestimmungen abgegangen werden. Eine freiwillige Entgegennahme von Gutscheinen zu einem höheren Wert als im Gesetz vorgesehen anstelle der Rückzahlung ist aber möglich und wirksam.  

Fragen an den ÖVP-Parlamentsclub

Nationalratsabgeordneter Peter Weidinger erklärte in seiner Funktion als ÖVP-Konsumentenschutzsprecher: "Wir bringen Veranstalter durch diese schwierige Zeit und sichern Ansprüche der Verbraucherinnen und Verbraucher."

Wir stellten dem ÖVP-Parlamentsclub folgende Fragen:

  • Unternehmen: Welche Veranstalter profitieren von der kommenden Lösung? Die neue Regelung soll intern Lex Ö-Ticket heißen, was wohl etwas eng gefasst sein dürfte.

Antwort: Alle Veranstalter außer Bund, Länder sowie Gemeinden. Ausgenommen sind auch Veranstalter, die im Mehrheitseigentum des Bundes, eines Landes oder einer Gemeinde stehen oder für deren Abgang der Bund, ein Land oder eine Gemeinde haftet. Der Begriff „Lex Ö-Ticket“ ist nicht geläufig – die Regelung ist ja nicht auf Ö-Ticket beschränkt.

  • Geld: Wie viel Geld haben Kunden an Veranstalter gezahlt, ohne eine Leistung zu erhalten?

Antwort: Wir können keine Angaben zu Zahlen machen.

  • Zahl: Wie viele Personen (Kunden) sind betroffen?

Antwort: Zahlen stehen uns nicht zur Verfügung.

  • Dauer: Kommt nach Corona wieder die heute - 24.4.2020 - noch geltende Rechtslage? Ist die neue Regelung befristet?

Antwort: Ja. Die Regelung umfasst den Zeitraum 13.3.2020 bis 31.12.2020. Danach wird die zuvor geltende Rechtslage wieder gelten.

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