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Baurecht: Hilfe, mein Nachbar baut! (Teil 1) - Was nun?

Gerüchte gab es schon lange, nun ist es fix: Das Grundstück gegenüber wird verbaut. Statt in einen blühenden Garten und über alte Hausdächer werden Sie demnächst auf einen Neubau schauen. Was nun?

Erste Möglichkeit: Sie entscheiden sich dafür, gar nichts zu unternehmen. Wozu gibt es schließlich eine Baupolizei? Die Beamten dort sind für die Einhaltung der Bauordnung verantwortlich. Oder dafür, ein Auge zuzudrücken? Auf Anhieb fallen Ihnen fünf Erzählungen aus dem Freundeskreis ein, wo ein diskretes Kuvert ein kleines Bewilligungsproblem umgehend aus der Welt geschafft hat. Aktiv zu werden lohnt sich also gar nicht. Außerdem sind Sie an einer guten Nachbarschaft interessiert. Sie hassen Streit.

Die Dinge laufen lassen, einen möglichen Konflikt scheuen und sich nicht selbst um die eigenen Rechte kümmern, ist zwar praktisch, kann aber auch so enden: Bei jedem Blick aus dem Fenster fragen Sie sich erbost, ob es wirklich rechtens ist, dass der futuristische Wohntempel gegenüber dermaßen hoch in den Himmel ragt.

Aktiv werden statt nichts tun!

Zweite Möglichkeit: Sie handeln sofort und verlassen sich ausschließlich auf sich selbst. Das wird die Baustelle nicht verhindern. Aber Sie gehen immerhin sicher, dass es zu keiner Verletzung Ihrer Rechtssphäre als Nachbar kommt.

Sobald klar ist, dass gebaut wird, holen Sie Informationen ein. Fragen Sie bei der Baubehörde am Gemeindeamt bzw. beim Magistrat nach dem aktuellen Flächenwidmungsbzw. Bebauungsplan. Er gibt Auskunft darüber, welche Widmung das Nachbargrundstück hat (z.B. reines Wohngebiet), wie darauf überhaupt gebaut werden darf (z.B. offene oder geschlossene Bauweise) und in welcher Höhe. Wo genau der Bauplatz liegt, also der Nachbar sein Haus hinstellen kann, und welche Flächen frei bleiben müssen, sind für Sie weitere wichtige Informationen. Wie die Suche nach Informationen in der Realität aussehen kann, lesen Sie in unserem Kommentar: Informationshürden.

Bauordnung und Bauvorschriften nachlesen

Anschließend besorgen Sie sich die Bauordnung Ihres Bundeslandes. Bauvorschriften sind in Österreich Ländersache, und so gibt es für jedes Bundesland ein eigenes Landesgesetz. Am schnellsten haben Sie Zugriff über das Internet: Unter www.help.gv.at (Bauen und Wohnen – Bauen) finden Sie nach Bundesländern geordnet die wichtigsten Baugesetze. Wenn Sie sich vertiefen wollen: Im gut sortierten Buchhandel gibt es auch kommentierte Ausgaben zu einzelnen Bauordnungen.

Nicht nur die Bauvorschriften sind länderweise verschieden. Auch der Begriff des Nachbarn im Baugenehmigungsverfahren wird in jedem Bundesland anders definiert. Abhängig vom Bundesland werden ihm zudem andere Rechte zugestanden. Klären Sie zuerst ab, ob Sie überhaupt Nachbar sind. Meist sind diejenigen Anrainer Nachbarn, deren Grundstück unmittelbar an das zu bebauende Gelände anschließt oder durch eine Straße davon getrennt ist. Weitere Voraussetzung: Sie müssen Eigentümer der Liegenschaft sein.

Nachfragen

Pläne kopieren, nachfragen

Erkundigen Sie sich bei der Baubehörde, ob bereits ein Einreichplan vorliegt. Wenn ja, holen Sie ihn unverzüglich ab. Als Nachbar haben Sie das Recht auf eine Kopie. Kein Mensch, schon gar nicht ein Laie, überblickt bei kurzer Planeinsicht in einer Amtsstube die ganze Tragweite eines Bauvorhabens, von den oftmals gut versteckten Details gar nicht zu reden.

Checkliste

Bevor Sie Ihre Kopien (kostenpflichtig) mit nach Hause nehmen, überprüfen Sie:

  • Sind sie farbig – nicht schwarz-weiß – und gut lesbar?
  • Können Sie sämtliche Höhenangaben bzw. Messpunkte zweifelsfrei erkennen?
  • Ist alles erfasst, was am Bauplan drauf ist? Nummerieren Sie die einzelnen Blätter so durch, wie am Original dargestellt, damit Sie Unter- bzw. Überschriften richtig zuordnen können.
  • Wurde auch der „Kopf“ mit allen wichtigen Daten (Einreichdatum, Unterschriften) bzw. die Legende vollständig kopiert?
  • Damit Sie nicht in Verlegenheit kommen, falls es keinen Farbkopierer gibt oder das Gerät gerade defekt ist: Nehmen Sie eine Kamera mit, um den Bauplan im Notfall abfotografieren zu können.

Genaue Auskünfte einholen

Sprechen Sie für eine erste Orientierung das Bauvorhaben mit dem zuständigen Referenten durch. Lassen Sie sich alles genau erklären. Wenn Sie etwas nicht verstehen, fragen Sie nach. Müssen Sie öfter nachhaken und bekommen Sie trotzdem keine befriedigende Auskunft, zweifeln Sie nicht an sich selbst, sondern an Ihrem Gegenüber. Fühlen Sie sich schlecht informiert oder gar abgewimmelt, hilft der Gang zum unmittelbaren Vorgesetzten. Keine ganz leichte Übung, zugegeben.

Skeptisch bleiben

Skeptisch bleiben

Sehr oft fällt bei Planbesprechungen der Satz: „Hier entspricht alles der Bauordnung.“ Von dieser griffigen Formulierung brauchen Sie sich weder groß beeindrucken noch einschüchtern zu lassen. Bei vollständigen und schlüssigen Unterlagen geht die Behörde davon aus, dass alles seine inhaltliche Richtigkeit hat. Verantwortlich dafür, dass die eingereichten Unterlagen tatsächlich der Bauordnung entsprechen, ist aber nicht die Behörde, sondern der Planverfasser! Die Kommunen müssen sparen, auch die Baubehörde leidet an Personalmangel. Die Bauordnungen werden nicht einfacher, sondern immer komplizierter. Baupläne sind, vor allem wenn der Bebauungsdruck hoch und das Gelände schwierig ist, eine hoch komplexe Angelegenheit. Zeitmangel und fachliche Unsicherheiten – ja, auch die gibt es – können bei der Baubewilligung zu Fehlentscheidungen der Behörde führen.

Mehrere Meinungen einholen

Irritiert Sie etwas am geplanten Bauvorhaben, fühlen Sie sich in Ihren Rechten verletzt? Sprechen Sie mit den anderen Nachbarn. Kennt jemand einen Bausachverständigen, einen Architekten, einen Zivilingenieur, einen Baumeister? Gehen Sie die Baupläne mit einem Profi durch. Die wenigsten Laien haben irgendeine Vorstellung, was die einzelnen Planzeichen bedeuten; noch weniger davon, welche bauliche Umsetzung damit verbunden ist.

Machen Sie am besten einen Lokalaugenschein.

  • Was werden Sie noch, was sicher nicht mehr sehen, wenn das neue Haus steht?
  • Geht für Sie in Zukunft die Sonne schon zu Mittag unter, weil Ihre gesamte Seitenfront bis übers Dach abgedeckt wird?
  • Wie hoch ist die lt. Bauplan an Ihrer Grundgrenze geplante Mauer und was bedeutet sie für Ihre alten Rosen, die seit fast hundert Jahren in diesem Teil Ihres Gartens wuchern?

Abschied nehmen

Wird ein Grundstück in einem neuen Siedlungsgebiet verbaut, haben die Nachbarn damit häufig kein Problem. Sie waren vor Kurzem selbst Bauherren und die Umgebung ist ständig im Fluss. Anders in Gebieten mit Altbestand, Kategorie: möglichst großer Garten, möglichst kleines Haus. Das war vorgestern. Heute geht unter dem Begriff „Einfamilienhaus“ oder „Kleinhaus“ eine Wohnfläche von 250 Quadratmetern, auf mehrere Geschoße aufgeteilt, problemlos durch. Gleichzeitig werden aus Kostengründen die Grundstücke immer kleiner, was zu unverhältnismäßig großen Kubaturen auf erbärmlich kleinen Flächen führt. Befestigte Wege, Terrassen, Abstellplätze für den fahrbaren Untersatz lassen den Anteil der versiegelten Flächen weiter ansteigen und den Gartenanteil noch mehr schrumpfen.

Sein Recht durchsetzen 

Nachbarn, die sich über Jahre an viel Grün und moderate Größenverhältnisse in ihrer Umgebung gewöhnt haben, sind meist entsetzt, wenn sie sehen, was von einem Tag auf den anderen an ihrer Grundgrenze aus dem Boden wächst. Veränderungen sind immer schmerzhaft. Doch wer vorher weiß, was ihm blüht, kann sich zumindest ein bisschen besser darauf einstellen – und das eine oder andere vielleicht verhindern, sollte sich bei genauerer Betrachtung herausstellen, dass bei der Planung des neuen Hauses auf die Nachbarn teilweise oder ganz vergessen wurde. Wie Sie in einem solchen Fall Ihre Rechte durchsetzen und was Sie dabei beachten müssen, lesen Sie in der nächsten Ausgabe von „Konsument“.

Alles, was Recht ist

Die Baustelle gegenüber stört Sie nicht, Sie sind selbst begeisterter Heimwerker. Aber dass nebenan fast täglich der Griller raucht, stinkt Ihnen schön langsam. Und wieso kläfft seit Wochen zwei Häuser weiter ein Hund stundenlang, und das noch nachts?

Unser neuer Ratgeber „Wenn Nachbarn nerven“ zeigt Ihnen, wie Sie sich wehren können. Viele praktische Tipps und Fallbeispiele aus der Praxis der Rechtsprechung helfen Ihnen bei der Lösung von Nachbarschaftskonflikten.

  • Die Grenzen des Eigentums: Mauern und Einfriedungen
  • Schutz vor Lärm und Gestank: eine Frage der Ortsüblichkeit
  • Zoff am Zaun: überhängende Äste, eindringende Wurzeln

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