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Nachbarschaftsrecht: Fälle vor Gericht - Lärmende Störenfriede

Ob Hahnenschrei, das Klavierspiel in der Wohnung nebenan, das "Plop“ der Bälle vom Tennisplatz gegenüber: Vermeintlich harmlose Kleinigkeiten können nerven, Wohn- und Lebensqualität beeinträchtigen und Streit auslösen. Ein Streifzug durch Entscheidungen von Gerichten und Verwaltungsbehörden.

Eine wichtige Einschränkung vorweg: Es kommt immer sehr auf die konkreten Umstände im Einzelfall an. Tendenzen lassen sich allerdings herauslesen. Einige Bei­spiele geben – so unangenehm sie für die Betroffenen auch sein mögen – durchaus Anlass zum Schmunzeln. Lesen Sie auch unseren Ratgeber "Wenn Nachbarn nerven".

Hahnenschrei nach vier Uhr Früh

Es war etwas nach vier Uhr in der Früh, als eine Familie in der Nähe von Knittelfeld, Steiermark, die Gendarmerie alarmierte. Das Krähen eines Hahnes in der benachbarten Hühnerzucht habe sie (wieder einmal) aufgeweckt, und im Übrigen sei das Gegacker der Hühner unerträglich geworden, lautete die Beschwerde, die die Beamten sofort ausrücken ließ. Der ­Betreiber der Geflügelzucht hatte bei der Schließung des Hühnerstalls am Abend ­einen Hahn im Freien vergessen. Tatsächlich – als die Gendarmen eintrafen, saß der Lärmerreger auf einem Obstbaum.

Vom Obstbaum in den Stall

Die ­Beamten trieben den Hahn in den Stall, dann war wieder Ruhe. Der Hühnerzüchter musste wegen ungebührlicher Erregung störenden Lärms eine Geldstrafe zahlen. Dass er sich darüber beschwerte, half nichts. Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Halter von Hühnern dafür Sorge zu tragen, dass ihr Gegacker die Nachtruhe nicht stört. Das Gackern von Hühnern zur Nachtzeit ist als ungebührliche Erregung störenden Lärms zu qualifizieren; eine Schallpegelmessung ist nicht erforderlich.

Enten sollen Schnabel halten

Dasselbe musste sich ein Halter von Enten sagen lassen. Auch er muss dafür Sorge ­tragen, dass die Tiere in der Nacht ihren Schnabel halten, sonst droht eine Anzeige. Der Tierhalter kann nicht damit argumentieren (auch das hat der VwGH geklärt), dass die Nachbarn ja bei geschlossenen Fenstern schlafen könnten!

Zwerghahn Willi: 50 Mal krähen

Und hier noch ein Urteil aus Celle in Deutschland, das einen vier Jahre dauernden Nachbarschaftsstreit um den Zwerghahn Willi beendete: Willi darf höchstens 50 Mal am Tag krähen, muss sein Geschrei auf 50 Dezibel einpegeln und ist zwischen 22 und 6 Uhr im schallgedämmten Stall zu halten.

Hundehaltung, Waschmaschinen

Hundehaltung in der Wohnung

"Es ist dem Wohnungsinhaber zuzumuten, dafür Sorge zu tragen, dass der Hund, sollte er ­allein gelassen werden, nicht bellt, oder dass er in der Wohnung nicht allein gelassen wird. Unternimmt der Wohnungsinhaber in dieser Richtung nichts, so hat er durch sein Verhalten jene Rücksicht vermissen lassen, die im Zusammenleben verlangt werden kann.“ Das heißt, er bekommt eine Verwaltungsstrafe.

Ein regelmäßig wiederkehrendes, fünf bis zehn Minuten andauerndes Bellen oder Jaulen eines Hundes in einer Mietwohnung, wenn auch nur tagsüber an Wochentagen, ist zweifellos nicht ortsüblich und beeinträchtigt die Benutzung der Nachbarwohnung dermaßen wesentlich, dass mit der Unterlassungs­klage des Nachbarn dem Hund quasi ein Maulkorb verpasst werden kann.

Hundegebell im Garten

Die Mischlingshündin Gipsy darf im Garten der Besitzer frei herumlaufen und schlägt immer dann an, wenn sich jemand dem Grundstück ­nähert. Die Nachbarn fühlten sich belästigt und erstatteten Anzeige. Die Behörde schickte den Amtstierarzt aus. Auch dieser empfand das Bellen als störend. Die ­Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung brummte dem Herrl eine Geldstrafe von 21,80 Euro auf. Der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) Steiermark erklärte „die für das menschliche Empfindungsver­mögen unangenehm in Erscheinung tretenden Geräusche“ für ungebührlich.

Waschmaschine in der Nacht

Der Unabhängige Verwaltungssenat Steiermark hat die Berufung einer Mutter abgelehnt, die von einem Nachbarn angezeigt worden war, weil sie um 22 Uhr die Waschmaschine eingeschaltet hatte und er sich durch die lauten Schleudergänge gestört fühlte. Die Steirerin musste 29,07 Euro Geldstrafe ­wegen ungebührlicher Lärmerregung zahlen. Wer dagegen zu später Stunde abspült und mit dem Geschirr klappert, braucht kein schlechtes Gewissen zu haben.

An österreichische Höchstrichter ist so ein Fall zwar noch nicht herangetragen worden, dafür gibt es eine Entscheidung des Amtsgerichtes Köln: "Nach der Lebenserfahrung kann davon ausgegangen werden, dass mit Geschirr nicht mutwillig geklappert wird, denn dadurch würde das Geschirr nur beschädigt oder zerstört.“

Klavierspiel und Kinderlärm

Klavierspiel ist zu dulden

Klavierspielen in einer Wohnung ist grundsätzlich als ortsüblich zu dulden. Dies gilt auch für das tägliche Klavierspiel einer Studentin eines Konservatoriums zwischen 15 Uhr und 19 Uhr. Klavierspiel ist seit jeher in Wohnvierteln üblich, soweit es nicht während der ­Ruhestunden (Mittagszeit, Nachtzeit) betrieben wird. ­Allerdings hat jüngst der Oberste Gerichtshof die Ortsüblichkeit von Klavierspielen auf zwei Stunden täglich eingeschränkt; demnach ist tägliches vierstündiges Klavierspiel im großstädtischen Wohnbereich – wie etwa dem 11. Wiener Gemeinde­bezirk – nicht ortsüblich.

Kinderlärm

In der langen Liste der Urteile, Ruhestörer betreffend, gibt es auch welche, die sich mit dem Lärm der lieben Kleinen beschäftigen. Grundfrage: Dürfen sie lauter sein als die Erwachsenen? Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat sich auch mit dieser Frage auseinandergesetzt und sich das Urteil abgerungen: Schreien dürfen nur ganz kleine Kinder. Details dieser VwGH-Entscheidung:

  • Schreien: Das typische Schreien von Säuglingen und Kleinstkindern, aber auch der typische Lärm von kleineren Kindern, etwa ein gelegentliches Herumlaufen in der Wohnung, ist nicht als ungebührlich zu beurteilen.
  • Raufereien: Das gilt ebenso für gelegentliche, kurze Raufereien von Klein- bzw. Vorschulkindern.
  • Luster wackelt: Wenn ein Achtjähriger gemeinsam mit seinem um zwei Jahre älteren Bruder eine halbe Stunde ungehindert schreit und hüpft und dadurch bei den Wohnungsnachbarn unterhalb der Luster wackelt, die Türen scheppern, die Zimmerdecke vibriert und Kästen knarren, so muss das von den Nachbarn nicht akzeptiert werden.

Sirenenlärm und Tennisplätze

Sirenenlärm darf sein

Wen die Sirene der benachbarten freiwilligen Feuerwehr regelmäßig aus dem Bett hebt, der hat Pech gehabt: Ein Sirenenton wird anders beurteilt als sons­tige Lärmquellen. Es ist klar, dass die Lautstärke einer Sirene den Umgebungslärm sig­nifikant überschreiten muss, damit sie den bezweckten Effekt, die Alarmierung der Bevölkerung, erreichen kann. Daraus folgt, dass die Belästigung durch Lärm einer aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung eingerichteten Sirene örtlich zumutbar ist.

Sand vom Tennisplatz

Das Eindringen von rotem Tennissand ist insofern unzulässig, als die Nachbarn stets den Sand abwischen mussten, bevor sie sich auf ihre Terrasse setzen konnten. Das bloß gelegentliche oder minimale Eindringen von Tennissand hätte in diesem Fall geduldet werden müssen.

Zu den verschossenen Tennisbällen äußerte sich das Gericht dahin gehend, dass der Tennisplatzbetreiber verpflichtet ist, Vorkehrungen gegen das Eindringen von ­Tennisbällen durch übliche Fehlschläge zu treffen, indem etwa die Spielplätze mit ­höheren Gittern eingezäunt werden. Aber von schlechten Tennisspielern zu verlangen, dass sie ihren Sport in einem „Käfig“ ausüben, wäre eine Schikane, auch gegenüber dem Platzbetreiber. Als Ausgleich gestanden die Höchstrichter den Anrainern zu, dass sie die Tennisbälle, die in ihren Gärten landen, nicht mehr herausgeben müssen.

Lärm vom Tennisplatz

Tennisspieler können Anrainern auf die Nerven gehen. Ein Streitfall ging bis zum Obersten Gerichtshof. Der entschied: Man kann sehr wohl Klage gegen den Betreiber eines Tennisplatzes einbringen. Das „Plop“ der Bälle, Wutausbrüche und Triumphgeschrei der Spieler können lästig sein, also gelten sie als Immissionen. Während in Deutschland der Bundesgerichtshof klar festlegt, dass Lärm­vermehrungen um mehr als fünf Dezibel eine unzulässige Beeinträchtigung des Wohlbefindens eines Menschen darstellen, gibt es in der österreichischen Rechtsprechung kein derart konsequentes Verbot.

Tennisspielen ist fast immer erlaubt, so das OGH-Urteil: Nur zu Zeiten, in denen besondere Ruhe zu wahren ist, etwa zur späteren Abend- und Nachtzeit, aber auch während einer ortsüblichen Mittagsruhe, sollten keine Tennisbälle übers Netz fliegen. Es bleibt dem Tennisplatzbetreiber überlassen, wie er den Lärm "eindämmt“: durch eine Lärmschutzmauer, hohe Hecken, einen neuen Bodenbelag oder überhaupt durch Umstellung auf Hallenbetrieb.

Leserreaktionen

Laute Glocken

Wir fürchten die Morgenstunden bei offenem Fenster: nämlich wegen der von unserem Schlafzimmerfenster aus hübsch anzusehenden Marienkirche.

Muss an jedem Sonnund Feiertag die 8-Uhr-Messe minutenlang eingeläutet werden? Wochentags stört das bereits um 7 Uhr stattfindende Läuten ja nicht, auch kennen wir an Sonn- und Feiertagen die ab 9.30 läutenden Kirchenrufe, weil es uns an unsere Landherkunft erinnert. Aber können wir nicht am 7. Tage etwas länger ruhen? Ist es möglich, diesbezüglich vorzugehen?

Name der Redaktion bekannt
(aus Konsument 05/2010)

Dazu existiert noch keine österreichische Rechtsprechung. Daher können wir nur die Meinung deutscher Gerichte wiedergeben.

Demnach gehört das Läuten der Kirchenglocken aus liturgischen Gründen zur Religionsausübung. Wenn sich das liturgische Glockengeläut nach Zeit, Dauer und Intensität als jahrhundertealte, kirchliche Lebensäußerung im Rahmen des Herkömmlichen hält, ist es vom verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrecht der Kirchen gedeckt und muss daher von sich gestört fühlenden Einzelpersonen als sozial adäquat ertragen werden.

Davon zu unterscheiden ist das Zeitläuten, das nicht der Religionsausübung, sondern der Zeitansage dient. Hier kann ein Nachbar Unterlassung von der Kirchengemeinde verlangen. Es ist anzunehmen, dass österreichische Gerichte ähnlich urteilen würden.

Die Redaktion

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