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Amtsgeheimnis - Das Schweigen der Ämter

Als Bürger haben Konsumenten wenig Rechte auf Information: Behörden haben einen großen Spielraum, Auskünfte zu verweigern. Das politische Versprechen, das Amtsgeheimnis abzuschaffen, ist seit Jahren nicht eingelöst.

Amtsgeheimnis (Cartoon: Robert Scheifler)

Wie viele Tonnen eines für Bienen schädlichen Pestizids werden pro Jahr verwendet? Wie oft haben öffentliche Krankenhäuser in der Region eine bestimmte Operation durchgeführt? Zu welchem Preis hat die Stadt ein Grundstück privatisiert? Wer solche Fragen an eine ­Behörde richtet, der stößt in vielen Fällen auf eine Mauer namens "Amtsgeheimnis".

Österreich: Wann kommt die Reform?

Österreich ist die letzte Demokratie ­Europas, die die Amtsverschwiegenheit in der Ver­fassung stehen hat. Seit mehr als drei Jahren versprechen Regierungsvertreter eine Reform, hin zum gläsernen Staat. Doch die lässt ­weiter auf sich warten.

Kein Recht auf Information

Während Österreicher derzeit kein Recht ­haben, Dokumente von heimischen Behörden einzusehen, gibt es diese Möglichkeit gegenüber EU-Institutionen längst. Wer sich etwa fragt, was Spitzenvertreter der EU-Kommission mit Regierungsvertretern zum Thema Abgas-Skandal ausgetauscht haben, der kann unbürokratisch entsprechende Briefe und E-Mails anfordern.

Behörden­auskunft in vielen Ländern Praxis

Was für gelernte Österreicher nach Utopie klingt, ist in vielen Demokratien längst ­Praxis. Schweden hat schon vor 250 Jahren seinen Bürgern das Recht auf Behörden­auskunft eingeräumt, die USA haben seit 50 Jahren den Freedom of Information Act, und Deutschland hat seit 10 Jahren ein Informationsfreiheitsgesetz.

Österreich internationales Schlusslicht

Prinzip der Informationsfreiheit

Das Prinzip der Informationsfreiheit: Staat­liches Handeln ist transparent, nur in begründeten Ausnahmefällen können Informationen geheim gehalten werden – etwa, wenn es um den Datenschutz von Bürgern geht, oder wenn der Republik ein Schaden droht und dabei kein überwiegendes öffentliches Interesse an einer Veröffentlichung vorliegt.

Güterabwägung durch unabhängigen Beauftragten

Diese Abwägung nimmt im Streitfall ein unabhängiger Beauftragter für Informationsfreiheit und Datenschutz vor, der Bürgern und Behörden mit seiner Expertise zur Seite steht, die Umsetzung des Gesetzes überwacht und so einen Kulturwandel in der Verwaltung vorantreibt.

Regierung ortet zu viel Bürokratie

Bei der EU, in Deutschland und in Slowenien hat sich eine solche Stelle längst etabliert, bei uns ist sie laut den vorliegenden Gesetzesentwürfen nicht vorgesehen – dadurch würde die Bürokratie unnötig aufgebläht, argumentieren die ­Regierungsparteien. Dabei hätten wir eine solche Transparenz-Stelle dringend nötig.

Österreich als internationales Schlusslicht

111 Staaten räumen heute auf nationaler Ebene ihren Bürgern das Recht auf Zugang zu Behördeninformation ein. Im "Right to Information"-Rating, einer Bewertung der Rechtslage zum Zugang zu Information staatlicher Stellen, liegt Österreich seit Jahren an allerletzter Stelle – hinter Tadschikis­tan, den Philippinen und Liechtenstein, die zumindest auf dem Papier ihren Bürgerinnen und Bürgern mehr Informationszugang zugestehen.

Auskunftspflicht, aber keine Transparenz

Auskunftspflicht mit Hürden

Nach dem Auskunftspflichtgesetz haben ­Behörden auf Anfrage binnen acht Wochen über "Angelegenheiten ihres Wirkungs­bereiches Auskünfte zu erteilen" – soweit dem keine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht entgegensteht. Neben dem Amts­geheimnis gibt es weitere Gründe für eine Auskunftsverweigerung: Bei Anfragen zu staatlichen Aufträgen, Förderungen und Privatisierungen wird in der Regel mit Datenschutz der Firmen argumentiert, es wird auf in Verträgen vereinbartes Stillschweigen verwiesen oder argumentiert, die Beantwortung sei zu viel Aufwand für die Behörde.

Auskunft beim Verwaltungsgericht erstreiten

Wie weit die Amtsverschwiegenheit im Einzelfall reicht, bleibt oft Auslegungssache. Insbesondere wenn es um politisch brisante Informationen geht, tendieren Beamte dazu, die Auskunft zu verweigern. Durchaus verständlich, denn geben sie zu viel Information heraus, kann dies interne Diskussionen und Disziplinarverfahren nach sich ziehen. Mit einer Auskunftsverweigerung sind Verwaltungsmitarbeiter auf der sicheren Seite – der Anfragende muss dann seine Auskunft beim Verwaltungsgericht langwierig erstreiten, was mitunter auch gelingt. Für Zivilgesellschaft, Medien und Bürger hat das fehlende Recht auf Information zur Folge, dass nicht im Detail nachvollzogen werden kann, was mit unserem Steuergeld geschieht.

40 Milliarden Euro – keine Transparenz

Die Republik kauft jährlich Güter und Leis­tungen für mehr als 40 Milliarden Euro von Firmen zu – was von welchen Unternehmen zu welchen Preisen und Konditionen gekauft wird, das ist für die Öffentlichkeit nicht nachvollziehbar. Transparenz bei Vergabe und Beschaffung würde die Verhandlungsposition der öffentlichen Hand stärken – eine Behörde könnte sehen, wie viel eine andere für vergleichbare Aufträge gezahlt hat; Korruptionsrisiken, Misswirtschaft und Steuergeldverschwendung würden reduziert. Politiker und Beamte, die über die Verwendung von öffentlichen Mitteln entscheiden, hätten im Hinterkopf, dass sie ihre Beschlüsse mitunter auch öffentlich rechtfertigen müssten.

Wie echte Transparenz aussieht

Wie echte Transparenz aussieht, das machen unsere Nachbarn in der Slowakei seit Jahren erfolgreich vor: Verträge der öffentlichen Hand mit einem Auftragswert von über 1.000 Euro können erst in Kraft treten, nachdem sie für alle einsehbar im Internet ver­öffentlicht wurden (sensible Passagen wie Geschäftsgeheimnisse können geschwärzt werden, wovon nur selten Gebrauch gemacht wird).

Lobbying, Informationsfreiheitsgesetz

Wissen macht Bürger mündig

Mit Steuergeldern finanziertes Wissen, im Auftrag von Ämtern erstellte Studien, Gutachten, Messdaten und Statistiken landen in Österreich auf Behörden-Rechnern und in Aktenordnern, meist ohne dass die Öffentlichkeit daraus Nutzen ziehen kann. Es geht auch anders, zeigt etwa Hamburg mit seinem Transparenzgesetz: Neben Beschlüssen und Verträgen von öffentlichem Interesse sind auch alle Gutachten und Studien, die von Behörden in Auftrag gegeben wurden oder in eine Entscheidung einfließen, automatisch online zu veröffentlichen.

Gelebte Transparenz ermöglicht eine Kommunikation auf Augenhöhe zwischen Bürgern und Verwaltung. Konsumenten wird der Rücken gestärkt, wenn sie in ihre Kaufentscheidungen auch Untersuchungen der zuständigen Behörden einbeziehen können; demokratische Mitbestimmung ist erst dann wirklich sinnvoll möglich, wenn lokale Bürgerinitiativen die Möglichkeit haben, auf den Wissensstand der Gemeinde zu kommen.

Lobbying transparent machen

Anfragen an Behörden können ein staat­liches Umdenken befeuern, wie Beispiele aus dem Ausland zeigen: In Deutschland führte eine Anfrage im Vorjahr dazu, dass der ­Bundestag Details zu Lobbyisten, denen die Fraktionen Zugangsberechtigungen zum Reichstags­gebäude verschafft hatten, ver­öffentlichen musste. In der Folge wurden die Regeln für Firmen- und Interessenvertreter verschärft.

Auch in den USA beeinflussen Lobbyisten staatliches Handeln. So hatte die amerikanische Regierung über Jahrzehnte die Verwendung von Zahnseide propagiert. Vergangenes Jahr beantragte ein Journalist vom Gesundheitsministerium wissenschaftliche Nach­weise, auf denen diese Empfehlung basierte. Daraufhin zog die US-Gesundheitsbehörde die Empfehlung zurück und antwortete, man habe keine entsprechenden Dokumente gefunden – das zuständige Gremium habe niemals untersucht, ob Zahnseide einen erwiesenen gesundheitlichen Nutzen habe.

Gesetzesentwürfe liegen im Parlament

Kommt diese Offenheit auch in Österreich? Seit über einem Jahr liegen Entwürfe der ­Regierungsparteien für ein Informationsfreiheitsgesetz und eine Verfassungsänderung im Parlament. Das Amtsgeheimnis soll gestrichen werden und stattdessen ein Grundrecht auf Informationszugang kommen. Zwar beinhalten die Entwürfe einige positive Neuerungen, darunter das Recht, Doku­mente zu erhalten.

Informationen trotzdem geheim

In wichtigen Details bleibt der Gesetzesvorschlag jedoch weit hinter internationalen Standards zurück. Die Antwort-Frist soll sich auf bis zu 16 Wochen verdoppeln – zum Vergleich: EU-Behörden haben binnen 15 Arbeitstagen zu antworten. Eine Abwägung, ob bei einer Veröffentlichung der Republik oder Dritten ein konkreter Schaden entstehen würde und ob überwiegendes öffentliches Interesse vorliegt, ist nicht vorgesehen – Informationen zu staatlichen Beschaffungen, Vergaben und Fördermitteln würden deshalb vermutlich weiter geheim bleiben.

Existenzbedrohendes Klagsrisiko

Wer sich die Möglichkeit einer zeitnahen Beschwerde offenhält, soll eine neue Bescheid-Gebühr von 30 Euro zahlen. Staatliche Stiftungen, Fonds und ­Unternehmen (ausgenommen börsennotierte) haben laut Entwurf in Zukunft Informationen zwar herauszugeben, durchsetzen müssten Bürger dieses Recht jedoch auf dem Zivilrechtsweg – und dafür ein mitunter existenzbedrohendes Klagsrisiko eingehen. Ob es in den Verhandlungen noch zu substanziellen Nachbesserungen kommt, ist derzeit nicht absehbar.

Mehr zum Thema

 - AufFrag den Staat können Auskunfts­begehren an Behörden gestellt werden. Die vom Verein Forum Informationsfreiheit betriebene Seite ermöglicht, die Korres­pondenz mit der Behörde öffentlich zu machen. So können alle Nutzer sehen, welche Auskunft erteilt wird – und welche nicht.

 - Ask The EU hilft dabei, Doku­mente von Behörden und Agenturen der Europäischen Union zu beantragen.

 - Mehr zum Recht auf Auskunft:Forum Informationsfreiheit

-  Österreich im internationalen Vergleich:Österreich im internationalen Vergleich

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