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Supermärkte: Lieferketten - Verantwortung in den Kinderschuhen

Eine europaweite Kampagne setzt sich für soziale und ökologische Verbesserungen entlang der Lieferketten von Lebensmittelkonzernen ein. Denn eine Bestandsaufnahme zeigt: Bislang haben sich die Supermärkte eher auf Alibiaktionen beschränkt.

Im Jahr 2015, dem europäischen Jahr für Entwicklung, starteten 29 Nichtregierungsorganisationen die EU-weite Kampagne „Supply Cha!nge“, darunter die österreichischen Organisationen Südwind und Global 2000. Das Ziel: Europäische Supermarktketten sollen Verantwortung übernehmen für die Missstände in ihren Lieferketten bei Arbeitsbedingungen und ökologischen Auswirkungen. 

Österreichische Marktkonzentration

In Österreich kontrollieren drei Handelsketten etwa 85 Prozent des Marktes: Rewe Group, Spar und Hofer/Aldi. Während die großen Anbieter ein immer größeres Stück vom Umsatzkuchen bekommen, führt ein auf enorme Effizienz-Steigerung und Gewinnmaximierung ausgerichtetes System dazu, dass sich die Bedingungen für die meist kleinen landwirtschaftlichen Produzenten in der Lieferkette verschlechtern. Auch die Ausbeutung von Arbeitern auf Feldern und Fabriken sowie die Umweltverschmutzung nehmen zu.

Fairness bei Preisgestaltung und Handelsbeziehungen

Öffentlich bekennen sich die Supermarktketten zwar zu ihrer unternehmerischen Verantwortung und sind oft Mitglied freiwilliger Standards wie BSCI (ein Verhaltenskodex über den Aufbau einer ethischen Zulieferkette) oder SA-8000 (ein Sozial-Audit System mit dem Ziel, Arbeitsbedingungen zu verbessern). Jedoch haben sich dadurch die Lebensbedingungen der Menschen, die auf den Feldern und in den Fabriken arbeiten, kaum verbessert. Eine wirklich nachhaltige Verbesserung der Situation – im Sozial- wie im Umweltbereich – kann letztlich nur durch fair gestaltete Preise und Handelsbeziehungen geschaffen werden.

Nachhaltigkeit bei Eigenmarken

Zwei Drittel aller Kunden kaufen regelmäßig Eigenmarken der Supermärkte. „Die Supermarktketten setzen gerade bei den Eigenmarken, vor allem bei solchen mit Rohstoffen aus dem globalen Süden (Schokolade, Bananen, Orangensaft, Produkte mit Palmöl), verstärkt auf Nachhaltigkeit“, erklärt Stefan Grasgruber-Kerl, Leiter der Kampagne Supply Cha!nge bei Südwind. „Das zeigt sich an immer mehr besiegelten Eigenmarken-Produkten, aber auch an den Strategien und Leitlinien für Kakao oder Palmöl.“ Die Kampagne läuft noch bis Ende 2017. Nach Abschluss soll eine Datenbank und App veröffentlicht werden, die Supermärkte und Eigenmarken aufgrund ihrer sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit vergleicht. „Es wird noch viel Druck der Konsumenten brauchen, um möglichst viele Eigenmarken fair und bio zu machen.“


Weitere Infos zum Thema:

Wenig eigenes Engagement bei großen Ketten

Wer beweist Verantwortung?

Eine erste Bestandsaufnahme zeigt: Die großen Ketten begnügen sich damit, Mitglied bei einer internationalen Organisation zu sein, die freiwillige Sozialkriterien definiert. Eigenes Engagement ist kaum zu finden.

Rewe

Rewe International, österreichischer Teil der REWE Group (Billa, Merkur, Penny, ADEG, Sutterlüty, BIPA) ist mit einem Umsatz von 8 Milliarden Euro (2014) das größte Handelsunternehmen in Österreich.
Die Rewe Group ist Mitglied von BSCI, das Unternehmen veröffentlicht jedoch keine Ergebnisse von Fabrikaudits (Kontrollen in den Produktionsstätten). Es ist unsicher, ob der Kaufvertrag mit Zulieferern festlegt, dass ein umfassender Verhaltenskodex bei diesen und all seinen Unterlieferanten umgesetzt werden muss. 

Spar

Das österreichische Handelsunternehmen Spar ist Mitglied bei respACT, einer österreichischen Unternehmensplattform für CSR und Nachhaltige Entwicklung. In den Verträgen mit den Lieferanten sind einzuhaltende soziale Kriterien festgelegt. Gekauft wird nur Ware, die den Qualitätsrichtlinien von Global GAP entspricht. Bei Global GAP stehen neben Qualitätskriterien für Anbaumethoden auch soziale Kriterien im Mittelpunkt.

Nebenbei: 2013 wurde bekannt, dass die Bundeswettbewerbsbehörde bei Spar Razzien auf den Verdacht der vertikalen Preisabsprachen hin durchführte. 2014 wurde der Handelskonzern durch das Kartellgericht zur Zahlung eines Bußgelds in der Höhe von 3 Mio. Euro verurteilt.

Hofer

Der österreichische Diskonter Hofer ist Teil der Unternehmensgruppe Aldi Süd, der Eigenmarkenanteil bei Hofer liegt über 90%. Das Mutterunternehmen Aldi Süd hüllt sich über seine Beschaffungswege und Einkaufspraktiken vielfach in Schweigen. Durch die Aufteilung der Aldi-Gruppe in rechtlich selbständige Untergesellschaften entzieht sich Aldi weitgehend einer Veröffentlichung von zentralen Geschäftsdaten und gewerkschaftlicher Kontrolle. 
Nach einer jahrzehntelang gepflogenen Abschottungspolitik wurde die Aldi-Gruppe aber immerhin Anfang 2008 Mitglied der BSCI. Im Jahr 2010 hat Hofer (wie auch andere Ableger von Aldi Süd) eine Corporate Responsibility (CR) Policy definiert, die einen verbindlichen Handlungsrahmen für Mitarbeiter, Geschäftspartner und Lieferanten beinhaltet.

Lidl

Lidl ist Teil der Schwarz-Unternehmensgruppe mit Sitz in Deutschland und verzichtet darauf, mit festen Partnern zu kooperieren. Stattdessen wird mit den Anbietern gehandelt, die gerade die niedrigsten Preise haben. In zahlreichen Studien der Clean Clothes Kampagne (CCK) wurden Arbeitsrechtsverletzungen in Lidl-Zulieferbetrieben gebrandmarkt. Aufgrund wachsender Kritik trat Lidl 2007, ein Jahr früher als der direkte Konkurrent Aldi/Hofer, der BSCI bei. 

Nah&Frisch

Die Nah&Frisch-Märkte sind nach dem Franchisingprinzip organisiert. Die Dachmarke Nah&Frisch gehört keiner anerkannten CSR-Initiative an. Der Zulieferer Pfeiffer entwickelte einen individuellen Maßnahmenplan, „jetzt für morgen“, der sich an CSR-Richtlinien orientiert und ist Mitglied bei respACT. Lieferant Kastner verweist auf der Firmen-Homepage auf die Wichtigkeit sozialer Unternehmensverantwortung und ist ebenfalls Mitglied bei respACT.

Mpreis

MPreis war 1988 die erste Supermarktkette Österreichs, die fair gehandelte Produkte in ihr Sortiment aufnahm. Sie erhielt immer wieder Auszeichnungen im Bereich des Umweltschutzes (Energieeffizienz oder Green Building). Aber das Tiroler Familienunternehmen ist nicht Mitglied der BSCI und wird wegen Arbeitnehmerfeindlichkeit und Preisabsprachen kritisiert.

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