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Gen-Nahrung - Zwangsbeglückung aus dem Labor

  • Turbo-Pflanzen sollen den Ertrag steigern
  • Zu wenig Kontrolle im Lebensmittel-Sortiment
  • Langzeit-Risiken zu wenig bekannt

Viele mögen sie nicht und doch ist sie immer öfter in aller Munde. Die Rede ist von der „Gentechnik im Essen“. Wer häufig zu Fertigprodukten greift, dessen Chance erhöht sich um ein Vielfaches. Da reicht etwa schon ein Müsli am Morgen, Fertigsuppe und -menü zu Mittag und zwischendurch ein paar salzige oder süße Knabbereien. Denn zur Herstellung verarbeiteter Lebensmittel werden Hilfsstoffe verwendet, die zum Teil aus Soja oder Mais gewonnen werden. Auf die Dienste dieser Füll-, Bindemittel oder Stabilisatoren kann heute kein Produzent mehr verzichten.

Alles in einem Topf

Und gerade bei Mais und Soja gibt es schon etliche genveränderte Sorten. Bei Nutzpflanzen dient die Veränderung der Gene (des Erbgutes) meist der Verbesserung der landwirtschaftlichen Eigenschaften. Eine Hand voll weltweit agierender Konzerne aus dem Pharmabereich erwartete sich das große Geschäft mit den in gigantischen Mengen angebauten Nutzpflanzen wie Soja, Mais, Raps oder Baumwolle. 1996 wurde die erste gentechnisch veränderte Sojabohne der Firma Monsanto in den USA großflächig angebaut. Mittlerweile haben sich die Anbauflächen vervielfacht und umfassen sieben verschiedene Nutzpflanzen, wobei Soja die größte Bedeutung hat.

Das erste Gen-Soja kam 1998 mit einem Paukenschlag in Europa an: Die USA zählen zu den wichtigsten Soja-Lieferanten auf dem Weltmarkt, und die Händler mischten es mit den herkömmlichen Sorten. Bei solchen Mengen wäre es unmöglich, konventionelles Soja getrennt zu vermarkten, hieß es. Doch man rechnete offenbar damit, die Schwellen bei den europäischen Konsumenten abzubauen. In der Zwischenzeit sind andere bedeutende Soja-Ausfuhrländer wie Argentinien in die Gentechnik eingestiegen. Nun hat sich ein neuer Markt mit „gentechnikfreier“ Ware entwickelt. Lebensmittelproduzenten, die genug dafür bezahlen können, gelangen an solche Rohstoffe. Doch sie werden noch nicht in ausreichender Menge erzeugt.

Genmanipulation bei Mais und Soja

Bei Mais besteht keine solche wirtschaftliche Abhängigkeit von den USA wie bei Soja. Doch im Moment werden Gen-Sorten aus den USA weltweit in Lebensmitteln gefunden: bei einem in Österreich erstandenen Knabbergebäck aus Mais tauchte eine Monsanto-Sorte auf, die in der EU verboten ist. In den USA selbst gab es einen Skandal um die Sorte Star Link von Aventis, die nur im Tierfutter zugelassen wurde, weil beim Menschen der Verdacht auf Allergien besteht.

Sogar in nachweislich „gentechnikfreier“ Ware kommt es immer wieder zu Verunreinigungen. Schon auf dem Feld verbreiten sich die neuen widerstandsfähigeren Gen-Sorten in Windeseile, obwohl ihre Erfinder schworen, dass sie nicht vermehrungsfähig sind. Der Wind oder Bestäubungsinsekten tragen ihre Pollen auf benachbarte Felder mit konventioneller Bepflanzung. Neben Mais wurde dies auch bei Raps und Rüben beobachtet. In Österreich und einigen anderen EU-Ländern passierte es gar, dass gentechnisch veränderter Raps unwissentlich ausgesät wurde. Das Saatgut der Firma Advanta Seeds war neben Gen-Raps von Monsanto in Kanada gezogen und durch Pollenflug verunreinigt worden. Hier droht große Gefahr für die Umwelt, weil die Gen-Sorten widerstandsfähiger sind als die herkömmlichen.

Auch Transport und Verarbeitung können Spuren von Verunreinigungen in konventionellen Ernten hinterlassen. Die Lagerräume der Schiffe oder die Ölmühlen werden für so kleine Mengen nicht gesäubert.

Kennzeichnung mit Schlupflöchern

Die EU schreibt die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel vor. Doch im österreichischen Warensortiment findet man so gut wie keine solchen Lebensmittel. Aufgefallen sind uns lediglich Reformwaren, zum Beispiel die Produkte der Firma Herbalife, die aus den USA stammen.

Viele Hersteller und Handelsunternehmen haben ausdrücklich erklärt, keine Zutaten aus gentechnisch veränderten Pflanzen zu verwenden. Wer mehr wissen will, ist auf die Überprüfung durch Stichproben und die Suche im Labor angewiesen. Und diese gleicht der nach der berühmten Nadel im Heuhaufen, denn das Warensortiment ist riesig: Diese Kontrolle ist aufwendig und teuer, und die staatliche Lebensmitteluntersuchung wird seit Jahren finanziell und personell ausgehungert.

Trotz Nachbesserung im vergangenen Frühjahr wirft die Kennzeichnungs-Verordnung noch zahlreiche Probleme auf und ist schwierig anzuwenden. Es gibt Lücken, denn gekennzeichnet werden muss nur, was fremdes Erbgut enthält und was im Labor nachzuweisen ist. Die Labormethoden werden zwar immer feiner, doch zwangsläufig ist die Industrie meist einen Schritt voraus. Weitere Details zur Kennzeichnung finden Sie unter "Kennzeichnung und Ausnahmen". Zudem zerstören Verarbeitungsprozesse wie Hitze oder hoher Druck die Erbsubstanz. Ein Umstand, den man sich zu Nutze machen kann, denn ein zusätzlicher Verarbeitungsschritt kann die Pflicht zur Kennzeichnung ersparen.

Angesichts der Schwierigkeiten mit dem Nachweis gentechnischer Veränderungen in verarbeiteten Produkten und der hohen Kosten, die daraus erwachsen, wäre eine Kennzeichnung, die den gesamten Herstellungsprozess umfasst, die Lösung (Technologiekennzeichnung). Beim Bio-Landbau funktioniert das seit Jahren. Kontrolliert wird im Erzeugungsbetrieb oder auf dem Bauernhof.

Spuren und Verunreinigungen

Von uns untersucht wurden 19 Produkte, die wir auf Verdacht aus den Regalen holten, weil Mais oder Soja auf ihrer Zutatenliste steht. Die Palette reichte von Gummibärchen über einige Müslis bis zur Fertig-Bohnensuppe. Wie zuletzt vor mehr als zwei Jahren haben wir keine gentechnisch veränderten Bestandteile entdecken können.

Bei amtlichen Kontrollen und Untersuchungen der Arbeiterkammer enthält etwa ein Zehntel der Proben gentechnisch veränderte Zutaten.

Eine groß angelegte Untersuchung unserer deutschen Schwesterorganisation Stiftung Warentest förderte in einem Drittel der Lebensmittel gentechnisch veränderte Bestandteile zu Tage: bei drei Produkten war die Menge an Gen-Soja beträchtlich und hätte auf dem Etikett ihren Niederschlag finden müssen.

Lichtstreif am Horizont?

Tatsache ist: 60 Prozent der EU-Bürger lehnen gentechnisch Verändertes auf dem Teller ab. Die Umfragen zeigen eine wachsende Abneigung, sogar in Frankreich und England, wo die Einstellung bisher positiv war. Die Zulassung neuer gentechnisch veränderter Pflanzen ist in der EU vor zwei Jahren gestoppt worden. Und in den USA, dem Mutterland der gentechnischen Versuche, ist eine Protestbewegung entstanden, 86 Prozent fordern eine Kennzeichnung. Die Bauern fürchten um ihre Märkte, denn erstmals zeichnet sich ein Rückgang um 12 Prozent bei den Anbauflächen für gentechnisch veränderte Sorten ab.

Ein Hoffnungsschimmer für alle, die keine Gentechnik im Essen wollen? Die Zukunft sieht bei weitem nicht frei von Gentechnik aus. Die weltweit agierenden Konzerne haben schon zu viel investiert, sie wollen Gewinne schreiben. In ihren Labors und jenen der Universitäten wird an der nächsten Generation geforscht. Da kommt eine ganze Lawine auf uns zu: Reis, Zuckerrübe, Kartoffel und viele Gemüse- und Obstarten (Radicchio, Zucchini, Chicoree, Tomate, Kakao, Banane, Erdbeere). Aus Österreich gesellt sich eine Marille dazu, deren Erbgut sie vor einer Virus-Erkrankung schützen kann. Das Projekt läuft an der Universität für Bodenkultur.

Die EU wird wieder neue Pflanzen zulassen, und zwar im Tausch gegen verbesserte Kennzeichnungs-Vorschriften. Das „Frankenstein-Image“ der Gentechnikforschung soll weggebracht werden. Geplant ist daher, die Öffentlichkeit in die Zulassungen stärker einzubinden und mehr auf Umweltaspekte zu achten. Diese Regelung sollte – bei optimistischer Einschätzung – mit Ende 2001 in Kraft treten, ob allerdings in dieser Form, ist noch offen.

Wer Gentechnik nicht auf dem Teller will, ist also weiterhin gut beraten, Fertignahrung oder stark verarbeiteten Lebensmitteln aus dem Weg zu gehen. Gleiches trifft für Produkte aus den USA oder aus Übersee zu. Bereiten Sie Ihre Mahlzeiten nach Möglichkeit selber zu und kaufen Sie Bio-Produkte und Lebensmittel mit dem „Gentechnik-frei“-Zeichen.

Suchen Sie gentechnikfreie Lebensmittel? Die Arbeitsgemeinschaft für gentechnikfrei erzeugte Lebensmittel verschickt Listen, wo Sie solche Produkte erhalten.

Die ARGE (Probusgasse 1, 1190 Wien, Tel.: [01] 370 11-602) findet man auch im Internet unter www.gentechnikfrei.at

Die Aufschrift „aus gentechnisch verändertem(n)…“ ist vorgeschrieben, wenn das Nahrungsmittel die gentechnisch veränderte Erbsubstanz (DNS) noch enthält (oder das von ihr gebildete Eiweiß): Maiskorn, Sojabohne und Verarbeitungsprodukte (Mais- oder Sojamehl, Polenta).

Von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen sind folgende Fälle:

Zerstörte Erbsubstanz durch die Verarbeitung (Hitze, Druck): Öl aus Soja, Mais oder Raps; Maisstärke; Zucker aus gentechnisch veränderten Rüben.

Nur auf gentechnischem Weg erzeugt, aber keine gentechnisch veränderte Erbmasse enthalten. Darf sich vom herkömmlichen Produkt nicht unterscheiden. Das sind Zusatzstoffe wie Vitamine, Aromen, Enzyme.

Verunreinigungen und Spuren bis zu einem Wert von einem Prozent der Zutat. Der Hersteller muss nachweisen können, dass keine Absicht vorlag.

Die vorhandene Erbmasse reicht nicht aus für die Laborsuche (Sojamehl in Nudeln)

Futtermittel für Nutztiere

Saatgut

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