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Thunfisch in Gefahr - Fischbestände dramatisch reduziert

Thunfisch ist einer der beliebtesten Fische weltweit. Der große Appetit auf Sushi oder Thunfisch in Dosen (siehe unseren Thunfischtest 11/2010) hat die Fischbestände dramatisch reduziert. Kann man den einstigen König der Ozeane heute noch mit gutem Gewissen essen?

Fisch ist schmackhaft und gesund. Der Fischkonsum hat sich binnen weniger Jahrzehnte nahezu verdoppelt. Ein durchschnittlicher EU-Bürger verspeist jährlich 23 Kilo, in manchen Ländern ist der Appetit auf Fisch noch wesentlich größer – Spitzenreiter Portugal kommt auf fast 57 Kilo pro Kopf und Jahr.

Die Fischerei ist die letzte Form der Nahrungsmittelproduktion in großem Stil, die fast vollständig auf wildlebende Tiere angewiesen bleibt. Entsprechend groß sind die Auswirkungen auf das globale Ökosystem; aber auch auf Millionen von Menschen, ­deren Existenz vom Fisch abhängt.

Bedrohlicher Entwicklungsverlauf

Die Entwicklung nimmt einen bedroh­lichen Verlauf: Die Fischbestände werden immer kleiner, mindestens 80 Prozent gelten als überfischt oder gar komplett aus­geschöpft. Der Aufwand an Energie und Ressourcen, die zum Fischfang benötigt werden, ist heute 17-mal höher als Ende des 19. Jahrhunderts.

Eine der meistgefährdeten Fischarten ist der Thunfisch. Die Jahresproduktion hat sich in den letzten 50 Jahren auf rund 5 Millionen Tonnen verzehnfacht (siehe auch unseren Test "Thunfisch - Um Dosen besser"). Am belieb­testen ist der Fisch in Dosen oder roh als Sushi und Sashimi. Die wichtigsten Märkte sind die USA, Europa und Japan.

Fischerei auf industrieller Basis

Das Bild vom einsamen Fischer, der mit ­seinem kleinen Boot übers Meer tuckert, gehört der Vergangenheit an. Heute wird die Fischerei auf industrieller Basis betrieben, ganze Fangflotten sind unterwegs. Schnellboote und Hubschrauber halten nach Fischschwärmen Ausschau, sogenannte Ringwadennetze – mit 2 km Umfang und bis zu 200 m tief – werden ring­förmig um einen Schwarm ausgelegt und dann zugezogen. Bereits auf hoher See wird der Fisch weiterverarbeitet und konserviert oder tiefgekühlt.

Durch die Ringwadenfischerei werden ganze Fischschwärme mit einem Schlag abgefischt, auch Jungfische vor der Geschlechtsreife werden mitgefangen. Das kann für die ohnehin bedrohten Thunfischarten fatale Folgen haben.

Die wichtigsten Arten

Die wichtigsten Arten, gereiht nach Größe bzw. Gewicht:

  • Der Rote Thunfisch (Northern Bluefin ­Tuna) kann fast 5 m lang und 400 kg schwer werden. Mit ihm sind die höchs­ten Preise zu erzielen, der Kilopreis für den fast ausschließlich roh verzehrten Fisch kann 500 Euro erreichen. Diese Art steht knapp vor dem Aussterben.
  • Ebenso vom Aussterben bedroht ist der Blauflossen-Thunfisch (Southern Bluefin Tuna), auch er wird von Sushi- und Sa­shimi-Liebhabern heiß begehrt.
  • Dem Großaugen-Thunfisch (Bigeye Tuna) geht es nicht viel besser, er gilt als gefährdet. Er wird als Sashimi, als Filet, aber auch in Dosen angeboten.
  • Die Bestände des Gelbflossen-Thun­fisches (Yellowfin Tuna) werden zumindest teilweise als kritisch angesehen. Er wird vor allem als Dosenware vermarktet.
  • Beim Weißen Thunfisch (Albacore Tuna) gibt es keine gesicherte Datengrundlage. "Besser nicht kaufen", empfiehlt daher Greenpeace – ausgenommen Produkte mit dem MSC-Gütesiegel. Er ist der Dosen-Thunfisch mit der höchsten Qualität.
  • Die kleinste Thunfischart ist der Bonito oder Skipjack (lat. Katsuwonus pelamis), er wird bis zu 1 m lang. Kommt in großen Mengen als Dosenfisch auf den Markt. Die Bestände im Atlantik sind stark überfischt, jene im Pazifik hingegen nicht gefährdet.

Generell scheint es also, dass Dosenthunfisch mit vergleichsweise gutem Gewissen gegessen werden könnte. Aber auch die Jagd nach den kleineren Arten, die hauptsächlich in Konserven ­landen, ist nicht unproblematisch. Trotz der bedrohlichen Situation gibt es bis heute keine geeigneten Maßnahmen, die eine nachhaltige Fischerei sicherstellen würden.

Delphin-freundlich?

Delphin-freundlich?

Vor Jahren wurde am Thunfischfang vor ­allem die Gefährdung der Delphine kritisiert. Die auch von Flugzeugen aus gut sichtbaren Delphine waren ein Hinweis darauf, dass Thunfischschwärme, in deren Nähe sich die Kleinwale gerne aufhalten, nicht weit waren. Deshalb wurden Del­phine erbarmungslos gejagt, ohne Absicht, sie wirtschaftlich zu verwerten. Sie wurden halbtot wieder ins Wasser geworfen.

Zwischen 1950 und 1990 kamen auf diese ­Weise geschätzte 6 Millionen Delphine zu Tode. Dann wurden endlich Maßnahmen dagegen ergriffen. Bei der heute vorherrschenden Ringwadenfischerei werden Delphine zwar mitgefangen, aber sie können – unverletzt – hernach wieder freigelassen werden. In den 90er-Jahren kamen Logos wie "delphin-sicher", "delphin-freundlich" oder Ähnliches auf.

Irreführende Logos

Die auch heute weitverbreiteten Logos sind jedoch in vielen Fällen irreführend. Denn es sind nur die Gelbflossen-Thunfische, die mit den Delphinschulen im Verbund schwimmen, und das nur im tropischen Ostpazifik. Das macht gerade 5 Prozent der gesamten Thunfisch-Fänge aus. Wird eine Dose Skipjack als delphin-freundlich gepriesen, so ist dies schlicht unsinnig.

Auf der anderen Seite werden auch heute noch Delphine zum Opfer der Thunfisch-Fischerei. Sie werden zwar nicht mehr getötet, aber Jungtiere können von ihrer Mutter getrennt werden – und allein vermögen sie nicht zu überleben. Außerdem wurde und wird schamhaft verschwiegen, dass nicht nur Delphine als wirtschaftlich wertloser Beifang in die Netze der Fischereiunter­nehmen gehen.

40 Prozent Beifang

Je nach Fangmethode kann der Beifang 40 Prozent und mehr aus­machen. Dazu zählen beispielsweise Haie, Seevögel oder Meeresschildkröten und ­natürlich auch kaum verwertbare Jung-Thunfische. Es gibt eine Schätzung, der­zufolge ein geretteter Delphin das Leben von einem Speerfisch, 20 Haien oder ­Rochen und 16.000 Jung-Thunfischen kostet.

Nachhaltigkeit wichtiger Aspekt

Nachhaltigkeit wichtiger Aspekt

Heute geht es nicht mehr bloß um das Überleben der Delphine, auch nicht so sehr um anderen Beifang. Ins Zentrum der Auseinandersetzungen ist das Überleben der Thunfische selbst gerückt. Mehr Nachhaltigkeit in der Fischerei ist ein Gebot der Stunde. Das liegt nicht nur im Interesse der Zoologie. Thunfisch ist eines der wichtigs­ten Nahrungsmittel für einen großen Teil der – wachsenden – Erdbevölkerung.

Die industrielle Fischerei bedroht vor allem die ortsansässigen Menschen. Nicht nur viele Fischer verlieren ihre Existenzgrundlage, dasselbe gilt auch für Bootsbauer oder Menschen, die in der Weiterverarbeitung beschäftigt waren.

Was bleibt, sind Lizenzzahlungen der großen ausländischen Flotten, die an die örtlichen Behörden zu entrichten sind. Doch die machen gerade ­einmal 5 bis 6 Prozent des Preises aus, der für die gefangenen Fische auf dem Weltmarkt erzielt werden kann. Die Zerstörung der traditionellen Fischerei birgt also auch eine Menge sozialen Sprengstoff.

Die Aquakultur, die Aufzucht von Fischen in Fischfarmen, wird häufig als Alternative angesehen, um den Wildfischbestand zu retten. Doch zumindest im Fall der Thun­fische ist diese Hoffnung unbegründet. Denn die Fische werden nicht in den Anlagen gezüchtet, sondern es werden junge Wildfische gefangen und in Netzkäfigen bis zur Schlachtreife gemästet – und dabei werden wiederum kleinere, wild lebende Fische verfüttert.

Bedrohung durch Piratenfischerei

Nicht zuletzt stellt die Piratenfischerei eine große Bedrohung dar. 30 bis 40 Prozent des weltweiten Fangs werden illegal aus den Weltmeeren gefischt. Die Piratenfischer kümmern sich um keine Regeln oder Beschränkungen, sie holen rücksichtslos alles aus dem Meer, was sie nur fangen können. Immer mehr Fischereifirmen arbeiten mit den Piraten zusammen.

Die Fische werden auf offener See auf die Schiffe großer Markenhersteller verladen und landen letztlich in den Supermärkten der reichen Länder des Nordens. Mangels effizienter Kontrolle lässt sich die Herkunft vieler Fische nicht zurückverfolgen. Illegale Fänge finden ­natürlich auch in keine Statistik Eingang. Man muss also annehmen, dass das Problem der Überfischung wesentlich größer ist, als die offiziellen Zahlen belegen, weil dafür nur die legalen Fänge berücksichtigt werden.

Was verraten die Gütesiegel?

Dolphin Safe: teilweise glaubwürdig

Das "Dolphin Safe"-Label wurde 1990 vom Earth Island Institute und der H.J. Heinz Corporation entwickelt.

Es verlangt Fangmethoden, die Delphine nicht verletzen oder töten könnten. Damals stellte es einen wichtigen Ansatz zur Kontrolle von Delphin-Fängen dar, doch seither wurden die Anforderungen nicht mehr aktualisiert.

Es fehlen wissenschaftliche Belegung und ein strenges Kontrollsystem.

Es ist kein Nachhaltigkeits-Siegel, da es ausschließlich auf Delphin-Schonung abstellt, alle anderen Probleme bleiben unberücksichtigt.

Delphin-freundlich u.a.: nicht glaubwürdig

Andere häufig verwendete Delphin-Siegel stellen bloß Herstellerbehauptungen dar, die von keiner Zertifizierungsorganisation belegt werden.

Dazu gehören beispielsweise Label mit der Aufschrift "delphinschonend gefangen", "delphinfreundlich gefangen" oder "delphin angenehm".

MSC: glaubwürdig

1997 von WWF und Unilever gegründet, ist der Marine Stewardship Council (kurz MSC) heute eine unabhängige Organisation, die in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und Umweltschutzorgani­sationen das MSC-Gütesiegel entwickelt hat. Dieses ist das einzige in Österreich vertretene Nachhaltigkeits-Label für Wildfische.

  • Es steht für den Schutz der Fischbestände – keine Überfischung.
  • Es garantiert minimale Auswirkungen auf das Ökosystem – nachhaltige Fangmethoden sollen den Beifang von Jungfischen, anderen Fischarten, Meeressäugetieren oder Wasservögeln möglichst gering halten.
  • Es ist eine Absage an die illegale Fischerei – lokale und nationale Gesetze werden eingehalten, ebenso wie internationale Vereinbarungen.
  • Die Bewerber müssen einen Bewertungsprozess durchlaufen, der von unabhängigen Zertifizierungsstellen durchgeführt wird.

Derzeit gibt es nur einen Fischverarbeiter, der Thunfischkonserven mit MSC-Siegel in Österreich anbietet: die französische Firma Connétable. Deren Weißer Thunfisch wird vor Kalifornien mit traditionellen Fangmethoden (Angel oder kurze Leinen) aus dem Ostpazifik gefischt.

Zusammenfassung

  • Stark bedroht. Roter Thunfisch (für Sushi oder Sashimi) ist vom Aussterben bedroht. Aber auch die kleineren Thunfischarten, die in Konservendosen angeboten werden, sind bereits stark überfischt.
  • Auf Art und Herkunft achten. Bonito, auch Skipjack genannt, gilt als am wenigsten überfischt. Mittelmeer und Atlantik sind weitgehend leergefischt; tropische Arten (im Südpazifik und im Indischen Ozean) sind weit weniger gefährdet.
  • Gütesiegel. Die vielen verschiedenen Siegel, die eine Aufschrift wie „delphin-freundlich“ oder Ähnliches tragen, sind meist nichtssagend. Nur das MSC-Siegel bürgt für nachhaltige Fischerei.

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