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Crowdfunding - Fun-Ding oder Unding?

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Crowdfunding: Beim Geld hört die Freundschaft auf, sagt man. Und einem Fremden leiht man schon gar nichts. Doch das Internet stellt diese tradierten Grundsätze auf den Kopf: Rund 3 Milliarden Euro wechselten im vergangenen Jahr allein in der EU den Besitzer – ohne dass sich Geldgeber und -empfänger je gesehen hätten.

"Crowdfunding" heißt dieses moderne "Sesam öffne dich!“, das die Finanzierung selbst von solchen Wünschen, Ideen, Projekten erlaubt, die sich die Bank oft nicht einmal ansehen würde. Crowd steht für (Menschen)menge, Funding bedeutet Finanzierung.

Globaler Milliarden-Markt

Dass die Bezeichnung auch das Wörtchen fun enthält (engl. Spaß, Freude) und Ding – also ein Ding, das Spaß macht – ist zwar nur Sprachspielerei, charakterisiert aber gut die ursprüngliche Idee: Schon mit kleinen Beträgen Ideen, Innovationen und Initiativen unterstützen, die andernfalls unverwirklicht bleiben müssten. Nur so, aus Spaß daran. Diesen Aspekt gibt es auch heute noch. Andererseits haben sich weitere Spielarten des Crowdfunding zu einem globalen Milliarden-Markt entwickelt, der für Konsumenten auch erhebliche Risken bergen kann. - Lesen Sie auch Crowdfunding für Immobilien - Keine zusätzliche Sicherheit.

Spaß und Verlust nahe beisammen

Das Prinzip ist immer gleich: Mehr oder weniger viele Menschen geben einzelnen oder wenigen. Dafür erhalten sie (meist) etwas zurück: Ein Sackerl Gummibärchen, einen handgeschriebenen Brief, satte Zinsen oder eine Beteiligung am Unternehmenserfolg. Der Fantasie sind auch hier keine Grenzen gesetzt. Aber die Bandbreite zeigt schon, dass Crowdfunding nicht gleich Crowdfunding ist.

20 verschiedene Spielarten

Wir sind vielmehr auf rund 20 verschiedene Spielarten und Bezeichnungen gestoßen. Sehr grob kann man vier Crowdfunding-Kategorien unterscheiden: Crowd-Donations (Spenden), Crowd-Rewards (Belohnungen), Crowd-Lending (Darlehen) und Crowd-Investing (Beteiligung).

Spenden, Belohnung, Darlehen, Beteiligung

  • Crowd-Donations (Spenden): Die ursprüngliche Form des Crowdfunding: Jemand hat eine Idee, braucht zur Umsetzung Geld, Gerätschaften oder Arbeitsleistung, andere geben ihm diese, weil sie die Idee unterstützenswert finden. Ein Rückfluss findet nicht statt. Eine Spende halt.
  • Crowd-Rewards (Belohnungen): Dabei gibt es für die Spender eine Anerkennung, eine Belohnung: Ein Backstage-Besuch bei der unterstützen Gruppe, ein Trikotleiberl vom Tormann, eine Einladung zum Konzert oder das entwickelte Produkt zum Vorzugspreis. Meist sind die Belohnungen nach Höhe des gegebenen Betrages abgestuft. Der Fantasie der Unterstützungswerber sind kaum Grenzen gesetzt, die Angebote oft entsprechend amüsant zu lesen.
  • Crowd-Lending (Darlehen): Ab hier wird es ernst, weil man richtig Geld verlieren (aber auch gewinnen) kann: Darlehenswerber suchen Kapital und versprechen, dieses samt Zinsen zum festgelegten Zeitpunkt zurück zu bezahlen. Die Kreditwerber können – prinzipiell – Private oder Unternehmen sein, meist Start-ups oder kleine und mittlere Unternehmen (KMUs). Für den Geldgeber eine gefährliche Crowdfunding-Spielart; auf die Gründe kommen wir zurück.
  • Crowd-Investing (Beteiligung): Auch „Equity based lending“ genannt, wird diese Form von Unternehmen genutzt. Der Investor erhält als Gegenleistung eine Beteiligung am Unternehmenserfolg; im Idealfall wird aus dem Start-up in der Garage der Übernahmekandidat eines Weltkonzerns, die Crowdinvestoren partizipieren am Veräußerungsgewinn.

Wobei der Definitionsprozess im jungen Geschäftsbereich Crowdfunding/Crowdinvesting noch lange nicht abgeschlossen ist. Wir haben über 20 verschiedene Bezeichnungen und Varianten ausgemacht, beschränken uns in diesem Beitrag auf die beiden letztgenannten Formen: Crowdlending und Crowdinvesting.  Die Übergänge sind oft fließend, es gibt viele Kombinationsmöglichkeiten, die im Internet angeboten werden: auf den sogenannten Crowdfunding-Plattformen.

Geldausgeben will geregelt sein

Wachstum jährlich über 100 Prozent

Davon dürfte es derzeit in der EU rund 260 geben, in Österreich kaum ein Dutzend. Tendenz bei allen: steigend. Das trifft auch auf die dort eingesammelten Beträge zu. In der EU waren das 2014 – alle Crowd-Spielformen zusammen genommen – rund 2,98 Milliarden Euro (für 2015 werden 7 Milliarden Euro vorhergesagt). Laut einer Studie der University of Cambridge und der Analysten von Ernst & Young entsprach dies 2014 einer Steigerung von 144 Prozent im Vergleich zum Jahr davor. Allerdings verzerrt ein Land die Statistik kräftig: Das Vereinigte Königreich (UK), Geburtsort des Crowdfunding in Europa, sorgte allein für ein Aufkommen von 2,34 Milliarden Euro, gefolgt von Frankreich (154 Mio.) und Deutschland (140 Mio.). Österreich liegt mit 3,6 Millionen an zwölfter Stelle der Top-16 in Europa.

Rund 5.800 Start-ups und KMU

Europaweit konnten im vergangenen Jahr rund 5.800 Start-ups und KMUs via Crowdlending/-investing für ihre Projekte aufstellen (ohne UK). Die internationale Politik sieht deshalb unisono im Crowdlending/-investing eine wichtige Finanzierungsquelle für innovative Unternehmen, da die Banken – trotz historisch niedrigen Kapitalkosten für sie – zunehmend zurückhaltend mit der Kreditvergabe an innovative Kleinunternehmen sind. Hier springen deshalb die privaten Geldgeber, die Konsumenten, via Crowdlending/-investing ein, weil sie sich davon in Zeiten magerer Kapitalmarktzinsen höhere Renditen versprechen.

Geldausgeben will geregelt sein

Nun darf man aber nicht einfach so Geld verleihen (das bleibt den Banken vorbehalten), weshalb es einer gesetzlichen Regelung bedarf, die zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Beitrages (Anfang Juli) gerade den zuständigen Ausschuss des Nationalrates einstimmig passiert hat: das Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG).
Das AltFG gilt für alternative Finanzinstrumente die in Österreich begeben werden. Dazu zählen Aktien, Anleihen, Geschäftsanteile an Kapitalgesellschaften (GmbH oder AG) und Genossenschaften sowie – für unser Thema von Interesse – Nachrangdarlehen (Crowd-Lending) und Genussrechte (Crowd-Investing). Es gilt also nicht für Crowd-Donating oder Crowd-Rewarding.
 

Information ist Pflicht

Doppelten Monatslohn

Demzufolge darf jeder Privatanleger jährlich maximal 5.000 Euro in ein alternatives Finanzinstrument investieren. Oder maximal 10 Prozent seines Finanzanlagevermögens bzw. höchstens das Doppelte seines durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens über 12 Monate gerechnet. Diese Zahlen müssen zumindest dem Betreiber der Funding-Internetplattform mitgeteilt werden (belegt werden müssen sie aber nicht …).
Dies diene dem Anlegerschutz, heißt es.

Staat schützt vor zu hohen Investments

Demokratiebesorgten mag dabei aufstoßen, dass hier Vater Staat erstmals die Fittiche über den Steuerbürger ausbreitet und ihm vorschreibt, was er mit seinem verdienten Geld in welcher Höhe anfangen darf. Eine Regelung, die bei anderen Möglichkeiten des Geldausgebens nicht existiert; etwa beim staatlich reglementierten Glücksspiel wo – in Summe betrachtet – ein Verlust für die Gemeinschaft der "Geldgeber" nicht nur möglich, sondern beabsichtigt und sicher ist.

Information ist Pflicht

Unbestritten ist: Crowdlending/-investing ist mit einem hohen Verlustrisiko behaftet. Entsprechend deutliche Hinweise der Plattformbetreiber, wie sie mit dem AltFG verpflichtend werden, sind unumgänglich. Im AltFG sind auch zahlreiche Offenlegungs- und Informationspflichten der Geldwerber und Plattformbetreiber vorgesehen. Damit enden aber die gesetzgeberischen Bemühungen zum Anlegerschutz. Weitergehende  Maßnahmen wie bei herkömmlichen Kapitalmarktemissionen oder gar eine Einlagensicherung wie bislang beim Sparbuch sind nicht vorgesehen. Ganz im Gegenteil.

Konsument: schlechteste Karten

Der Geldgeber hat bei Zahlungsschwierigkeiten des Darlehensnehmers oder gar bei dessen Insolvenz die denkbar schlechteste Aussicht darauf, auch nur einen Teil seines Investments wieder zu sehen. Denn die über die Plattformen gewährten Darlehen werden als „qualifizierte nachrangige Darlehen“ eingestuft. Eine sprachlich in die Irre führende Bezeichnung dafür, dass im Insolvenzfall erst sämtliche Forderungen der anderen Gläubiger bedient werden müssen, bevor ein Crowd-Darlehensgeber an die Reihe käme.

Kein Geld von Privaten an Private

Strenge Regeln nur für Banken

Auch das Recht auf Zinsen und Kapitalrückzahlung ist beschränkt: Der Darlehensnehmer muss nicht zahlen, wenn dadurch der Fortbestand des Unternehmens gefährdet wäre. Hintergrund der Regelung: Die Gewährung von "Darlehen mit unbedingtem Rückzahlungsanspruch“ (= fix vereinbarte Tilgungs- und Zinszahlungen) ist in Österreich den Banken vorbehalten. Und denen möchte der Gesetzgeber nicht ins Handwerk pfuschen. Bedeutet in der Praxis: Erhält man Zinsen und Kapitalrückzahlung, kann man sich freuen. Bleiben diese aus, hat man Pech gehabt. Wirklich ein Schutz für kleine Anleger?

Kein Geld von Privaten an Private

Dieses Instrument ist im Crowdlending-Konzert auf Europaebene ein unüberhörbares: 1,027 Mrd. Euro holten sich private Darlehensnehmer 2014 von privaten Darlehensgebern (davon 752 Mio. im UK). Der Bereich heißt peer-to-peer- oder P2P- Consumer Lending – und ist so in Österreich verboten; erste Versuche dazu im Jahr 2009 mussten eingestellt werden, da keine Gewerbeberechtigung (Bankenkonzession) vorlag. So bietet derzeit in Österreich nur eine Plattform (lendico.at) eine Art Pseudo-P2P an. Die Plattform tritt lediglich als Vermittler auf, dahinter steht eine Bank.

Dahinter steht die Bank

Der potentielle Darlehensnehmer tut seinen Kreditwunsch kund, die Plattform holt die Unterlagen ein (um das Prozedere kommt man auch beim privaten Crowdlending nicht herum), prüft und stellt die Anfrage bei positiver Bewertung online. Finden sich ausreichend private Geldgeber, gewährt die Bank dem Darlehensnehmer den Kredit – der ja schon durch die Einlagen der Crowd-Anleger abgesichert ist. Diesen wird derzeit eine "Rendite bis zu 12,42 Prozent" versprochen.
 

Tabelle: Plattformen

Zusammenfassung

  • Crowdfunding auf Spenden- oder Belohnungsbasis sind eine nette Sache, an der man sich risikolos beteiligen oder für eigene Sammeltätigkeiten nutzen kann.
  • Crowdlending und Crowdinvesting sind riskant bis hoch riskant. Die Darlehenswerber und deren Projekte wollen vor einer Investitionsentscheidung gut unter die Lupe genommen werden. Aber auch hier sollte man nicht "alles auf eine Karte setzen“, sondern durch Streuung das Risiko so gering wie möglich halten. Geht alles gut, können schöne Renditen eingefahren werden.
  • Für Start-ups und KMUs sind die Plattformen wohl durchaus einen Versuch zur Kapitalaufbringung wert. Hier gilt es aber auf die anfallenden Gebühren zu achten, denn die Plattformen erbringen ihre Leistung auch nicht aus Freundschaft – die ja vielleicht doch beim Geld aufhört.

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