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Erbrecht - Beispiele aus der Praxis

In der aktualisierten Neuauflage unseres Buches "Erben ohne Streit" finden Sie auch Antworten auf Fragen aus der Praxis. Hier einige Beispiele.

Nach dem Tod unseres Vaters wurden zwei Testamente aufgefunden: In dem laut Datum älteren hat er unsere Stiefmutter zur Alleinerbin gemacht, während ich und meine Schwester auf den Pflichtteil beschränkt werden. Im zweiten, ein Jahr später datiert, verfügte unser Vater hingegen, dass wir Kinder je zur Hälfte seine Verlassenschaft bekommen sollen. Wer erbt jetzt wie viel?

Ein datumsmäßig jüngeres Testament hebt (selbst wenn darin kein ausdrücklicher Widerruf enthalten ist) ein älteres zur Gänze auf. Ihre Stiefmutter muss sich als Ehefrau des Erblassers mit dem gesetzlichen Pflichtteil von einem Sechstel (Hälfte Ihres gesetzlichen Erbrechts) bescheiden.

Hinsichtlich des Rests sind Sie und Ihre Schwester je zur Hälfte Erben. Dies gilt freilich nur, wenn das jüngere Testament auch tatsächlich gültig zustande gekommen ist. Sollte der im älteren Testament eingesetzte Erbe, also Ihre Stiefmutter, dies bestreiten (indem sie z.B. behauptet, Ihr Vater sei bei der Errichtung des zweiten, jüngeren Testaments nicht mehr im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte gewesen), so hat sie die Möglichkeit, im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens aufgrund des älteren Testaments ebenfalls eine Erbantrittserklärung abzugeben.

Widersprechende Erbantrittserklärungen

Bei Vorliegen widersprechender Erbantrittserklärungen weist das Verlassenschaftsgericht nach Anhörung der Parteien einem der Erbschaftsanwärter die Klägerrolle zu. Das Gericht weist ihn an, innerhalb einer bestimmten Frist gegen die andere Partei Klage auf Feststellung des besseren Erbrechts einzubringen.

Diese Klägerrolle trifft bei (ihrer äußeren Form nach) unbedenklichen Testamenten regelmäßig jene Partei, die, um ihr Erbrecht geltend machen zu können, erst den Erbrechtstitel ihres Gegners entkräften muss: in Ihrem Fall also Ihre Stiefmutter, da ihr Erbrecht nur zum Tragen kommt, wenn das jüngere Testament als rechtsungültig erkannt wird.

Wohnungskauf von Lebenspartnern

Ich möchte mir mit meinem langjährigen Gefährten einen Lebenstraum erfüllen und eine Terrassenwohnung im Grünen kaufen. Natürlich wollen wir beide im Grundbuch stehen, immerhin finanzieren wir diesen Kauf gemeinsam. Und zwar nicht nur mit Erspartem, sondern auch mit beträchtlichen Kreditmitteln. Wir haben keine gemeinsamen Kinder, doch mein Lebenspartner hat einen Sohn aus erster Ehe. Meine Eltern leben noch. Woran sollten wir am besten bereits im Zuge des Kaufvertrages denken?

Am wichtigsten ist die folgende Entscheidung: Wem soll der jeweilige Hälfteanteil der Terrassenwohnung im Erbfall zufallen: dem überlebenden Partner oder doch jemand anderem? Wenn Sie sich für Ihren Partner entscheiden, dann soll dieser möglichst keine Zahlungen an die Erben leisten müssen. Schließlich muss im Falle des Falles der Überlebende die Kredite alleine bedienen. Was Sie also brauchen, ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen den Partnern. Lassen Sie sich am besten gleich im Zuge des Kaufvertrags von einem Rechtsanwalt oder Notar beraten.

Verlassenschaftsverfahren, Lebensversicherung

Beim Verlassenschaftsverfahren sind mir meiner Meinung nach viel zu hohe Gebühren vorgeschrieben worden. Muss ich sie widerspruchslos zahlen?

Nein. Sie können binnen 14 Tagen nach Zustellung des Beschlusses, in dem das Verlassenschaftsgericht die Gebühren für den Gerichtskommissär, den Sachverständigen oder die Bezahlung des Kurators bestimmt hat, Einspruch gegen die Höhe der Gebühren einbringen. Den Einspruch müssen Sie bei jenem Bezirksgericht einbringen, das den Beschluss erlassen hat. Über die Zulässigkeit Ihres Einspruchs entscheidet das Landesgericht. Bevor Sie aber einen Einspruch einbringen, sollten Sie die Möglichkeit nützen, an einem Amtstag des Bezirksgerichtes den betreffenden Richter aufzusuchen und sich die gesetzlichen Bestimmungen für die Gebührenfestsetzung erklären lassen.

Die erste Frau, von der sich mein verstorbener Mann vor mehr als zehn Jahren scheiden hat lassen, soll die Lebensversicherung ausbezahlt bekommen. Und ich als Witwe darf nur seine Schulden bezahlen. Wie ist das möglich?

Es ist möglich. Wenn Ihr Mann die Lebensversicherung bereits während der ersten Ehe abgeschlossen, seine damalige Frau als Begünstigte eingesetzt und nach der Scheidung vergessen hat, dies zu ändern, fällt das Versicherungsguthaben nicht in den Nachlass. Sie als Witwe haben nicht einmal Anspruch auf einen Pflichtteil aus der Lebensversicherung, weil der Versicherungserlös nicht in den Nachlass fällt. Anders liegt der Fall, wenn in der Polizze niemand als begünstigte Person genannt wird. Dann fällt die Versicherungssumme in den Nachlass. Sie kommt also den Erbberechtigten zu und damit Ihnen als Witwe.

Buchtipp: "Erben ohne Streit"

Streit unter Erben ist keine Seltenheit. Wer rechtzeitig klare Regelungen trifft, kann dem vorbeugen. Unser Buch gibt Aufschluss darüber, was genau alles zu regeln ist. Es zeigt, wie man ein Testament verfasst, wie der Ehepartner abgesichert werden kann und wie man Einfluss auf die Erbfolge nehmen kann.

www.konsument.at/erben

Aus dem Inhalt

  • Gesetzliche Grundlagen
  • Wie man ein Testament verfasst
  • Was zur Verlassenschaft zählt
  • Die Aufgaben des Notars
  • Die Kosten eines Verlassenschaftsverfahrens
  • Nützliche Vollmachten und Verfügungen

172 Seiten, 19,90 € + Versand

KONSUMENT-Buch: Erben ohne Streit + Einkaufstasche

 

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