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Ärztefunkdienst - Zu spät gekommen

Trotz der medizinischen Warnsignale kommt der Notarzt erst nach fast zwei Stunden. Das Kind kann nicht mehr gerettet werden.

Der Fall: Kind hat Schmerzen - Ärztefunkdienst wird gerufen

Die Mutter eines dreijährigen Buben ruft in der Nacht den Ärztefunkdienst in Wien an. Sie schildert dem Arzt am Telefon den besorgniserregenden Zustand ihres Sohnes. Er hat am ganzen Körper Flecken, hohes Fieber, Ohrenschmerzen und ist sehr blass im Gesicht. Es wird vereinbart, dass ein Arzt geschickt wird. Der Zustand des Kindes verschlechtert sich rapide. Es hat Schmerzen in den Beinen, die Hände sind weiß, der Körper wird immer dunkler. Die Eltern warten verzweifelt und rufen immer wieder beim Ärztefunkdienst an. Die Medizinerin am Telefon ist schon sichtlich ungeduldig und maßregelt die sorgenvolle Mutter. Sie solle ihr Kind nicht ins Telefon schreien lassen und ihren Mann beruhigen, sagt sie und droht damit, den Auftrag zu stornieren.

2 Stunden später trifft der Arzt ein - zu spät für das Kind

Ins Spital wollen die Eltern nicht fahren. Sie befürchten, dass sie dort noch länger warten müssen. Nach sechs Anrufen beim Ärztefunkdienst trifft der Arzt nach fast zwei Stunden endlich ein. Die Eltern, mittlerweile in Panik, erwarten ihn mit ihrem Kind bereits vor dem Haus. Der Arzt fordert sie auf, das Kind wieder in die Wohnung in den 5. Stock zu bringen und die e-card vorzuweisen. Dann erst beginnt er mit der Herzdruckmassage, ohne Beatmung. Zu diesem Zeitpunkt ist der kleine Bub bereits klinisch tot. Kurz nach dem Arzt trifft auch die Rettung ein und bringt das Kind unter Reanimation ins Allgemeine Krankenhaus. Hier stirbt es wenig später.

Der Dreijährige hatte sich mit Meningokokken angesteckt – hochaggressiven Bakterien, die eine Blutvergiftung auslösen. Die Eltern und sein älterer Bruder sind schwer traumatisiert. Die zwei Stunden, die sie auf den Notarzt gewartet haben, werden sie nie vergessen.

Ärzte erkannten lebensbedrohliche Lage nicht

Intervention: Ärzte erkannten lebensbedrohliche Lage nicht

Die Eltern wenden sich an die Wiener Pflege-, Patientinnen- und Patientenanwaltschaft (WPPA). Diese stellt fest, dass die Mediziner beim Ärztefunkdienst sich nicht an medizinische Leitlinien gehalten haben. So wurde etwa die „Fieberfibel“ nicht berücksichtigt, die vorgibt, dass bei einem Kind unter 14 Jahren, das fiebert und Flecken am Körper hat, in jedem Fall sofort die Rettung zu alarmieren ist. Die beiden Ärzte am Telefon erkannten die lebensbedrohliche Lage des Kindes nicht. Das führte dazu, dass erst 52 Minuten nach dem ersten Anruf der Mutter das Einsatzteam verständigt wurde. Auch die drängenden Anrufe der Mutter und die genaue Beschreibung der Symptome führten nicht dazu, dass die Rettung verständigt wurde.

Ergebnis: Teil der Begräbniskosten übernommen

Die Wiener Patientenanwaltschaft hat erreicht, dass die Versicherung der Ärzte einen Teil der Begräbniskosten übernommen hat.

Fazit: Notfall-Dienst-System soll qualitätsgesichert werden

Die WPPA fordert, dass der Ärztefunkdienst in die Rettungs- und Notfallversorgung Wiens integriert wird und alle Notfall-Dienste künftig über eine zentrale Telefonnummer erreichbar sind. Das System soll verpflichtend mit einem qualitätsgesicherten, standardisierten Abfragesystem arbeiten. Der im Rahmen der Gesundheitsreform angekündigte Erstkontakt- und Beratungsservice (TEWEB) sollte rasch eingerichtet werden.

VKI-Kooperation mit Patientenanwaltschaft Wien

In unserer Rubrik "Patientenanwaltschaft" berichten wir über Fälle, mit denen österreichische Patientenanwältinnen und -anwälte befasst sind.

Die Wiener Pflege-, Patientinnen- und Patientenanwaltschaft setzt sich für Verbesserungen der Rettungs- und Notfallversorgung ein. Eine zentrale Forderung ist, dass künftig alle medizinischen Notfalldienste in Wien über eine zentrale Rufnummer erreichbar sind.

Wien
Wiener Pflege-, Patientinnen- und Patientenanwaltschaft
Schönbrunner Straße 108,
1050 Wien,
Tel. 01 587 12 04,
Fax 01 586 36 99
E-Mail: post@wpa.wien.gv.at
Patientenanwalt Wien > Gesundheit

 

Buchtipp: "Mein Recht als Patient"

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Aus dem Inhalt

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  • Welche Behandlung steht mir zu?
  • Das Recht auf Selbstbestimmung
  • Behandlungsfehler und Haftung des Arztes
  • Psychiatrie und Heimunterbringung
  • Gesundheitsakte, Krankengeschichte, Datenschutz

196 Seiten, 14,90 € + Versand

KONSUMENT-Buch: Mein Recht als Patient 

Leserreaktionen

Traumatisiert

Ich finde es sehr gut, dass sich der VKI auch mit dem Gesundheitsbereich beschäftigt und dabei auch mit den Patientenanwaltschaften zusammen arbeitet und Fälle publiziert. Und ich finde es auch sehr gut, dass in jedem Bundesland eine Patientenanwaltschaft eingerichtet wurde, an die sich Menschen auf einfachem Weg wenden können. Durch diese Aktivitäten wird die Einrichtung der Patientenanwaltschaften bekannter, was meiner Erfahrung nach sehr wichtig ist, weil viele Menschen gar nicht wissen, dass es diese gibt und wie unkompliziert der Zugang zu diesen ist!

Der geschilderte Fall des an einer Blutvergiftung verstorbenen Kleinkindes ist tragisch, der jungen Familie gilt mein aufrichtiges Mitgefühl! Eigentlich unvorstellbar, was diese Familie in diesen Stunden erlebt haben muss! Daher ist es für mich gut nachvollziehbar, dass die Eltern und der ältere Bruder des verstorbenen Kindes „schwer traumatisiert“ sind. Angesichts dieser Tatsache ist ja hoffentlich das Ergebnis, welches im Verfahren der Patientenanwaltschaft erzielt wurde – Versicherung der Ärzte zahlt einen Teil(!) der Begräbniskosten – nur ein vorläufiges. Wahrscheinlich folgt ja noch ein Strafverfahren?

Und vor allem: Schadenersatz für die wahrscheinlich über lange Zeit erforderliche und kostenintensive Psychotherapie für die Eltern und den Bruder, damit diese so rasch wie nur irgendwie möglich mit der Therapie beginnen können!

Mag. Alfred Dorfmeister
Biedermannsdorf
(aus KONSUMENT 12/2015)

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