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Angst beim Zahnarzt - Methoden, Rezepte, Tricks

Schätzungsweise jeder Zehnte leidet unter Angst vor dem Zahnarzt. Die Auswirkungen können dramatisch sein. Doch es gibt Tricks und Methoden, die Angst zu lindern.

Goethe litt unter Höhenangst, Freud litt unter Panikanfällen und sogar Kardinal Ratzinger gestand auf die freche Frage, ob denn auch er sich fürchte: „Ja natürlich – vor dem Zahnarzt“. Der Kardinal ist nicht allein. Bei rund zehn Prozent der Bevölkerung soll, so lauten englische Schätzungen, die Angst vor dem Zahnarzt so groß sein, dass sie gar nicht zur Kontrolle oder zur Behandlung gehen. In schweren Fällen ruiniert diese Angst Zähne, Seele und Beziehungen. Sie tritt meist dann auf, wenn ein Kind oder Jugendlicher sehr schlechte Erfahrungen mit dem Zahnarzt gemacht hat. Und diese Angst kann jeden treffen – auch intelligente, tüchtige, hochgebildete Menschen.

Eine Krankheit

Während die Mehrheit der Patienten den schweren Weg in den Behandlungsstuhl mit weichen Knien und etwas Bauchweh tapfer überstehen, sterben manche fast vor Angst, spüren beim Herannahen eines Abdrucklöffels Würgereize oder erleiden brutale Panikattacken. Kein Wunder, dass diese Menschen den Zahnarzt scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Sie lassen vereinbarte Termine platzen, müssen „unbedingt“ noch andere wichtige Angelegenheiten erledigen, sind plötzlich nicht mehr erreichbar und ständig „passieren“ Dinge, die nur den einen Zweck haben, den Zahnarztbesuch zu vermeiden. Bei echten Angstpatienten haben vernünftige Argumente keine Chance. Diese tief verwurzelte Angst ist keine „Schwäche“, sie ist eine Krankheit, die nur professionell behandelt werden kann. Die Betroffenen leiden sehr, können sich selbst aber kaum helfen. Appelle von Angehörigen, wie „jetzt reiß’ dich endlich am Riemen“, sind absolut sinnlos. Um diese Angstpatienten professionell zu behandeln, gibt es in den USA oder im schwedischen Göteborg eigene Spezialkliniken (Dental fear clinics).

„Meine Frau hat wahnsinnige Angst vor dem Zahnarzt und dementsprechend kaputt sind ihre Zähne. Wäre es möglich, dass der Zahnarzt zu uns kommt?“, fragte ein Leser bei uns an. Theoretisch ja, praktisch nein. Es gibt zwar den Hausbesuch auf Krankenschein. Der Zahnarzt bekommt für die Visite von der Kasse 321 Schilling (Privattarife: zwischen 600 und 1500 Schilling). Doch was kann ein Zahnarzt ohne seine Hilfsmittel bei einem Patienten ausrichten? Eine gründliche Untersuchung und hochwertige Behandlung ist kaum möglich.

Information hilft

Einige Zahnärzte versuchen, dem Patienten mit Freundlichkeit die Angst zu nehmen. Manchmal hält auch die Assistentin die Hand des Patienten. Bei leichten Fällen hilft das, bei schweren nicht. Auch die simple Frage: „Haben Sie vor der Behandlung Angst?“, kann die Angst reduzieren.

Gute Zahnärzte lassen Angstpatienten nicht warten. Das wäre unnötige Folter.

Gute Zahnärzte informieren ihre Patienten vor der Behandlung über den Ablauf, nach dem Motto: „Was ich kenne, macht mir auch keine Angst.“ Primarius Dr. Elmar Favero von der Tiroler Gebietskrankenkasse gibt aber zu bedenken: „Ich bin als Arzt verpflichtet, den Patienten über mögliche Komplikationen zu informieren. Ob das die Angst verringert, wenn er weiß, dass theoretisch nach einem Eingriff die halbe Wange und Zunge gefühllos sein können? Ich bin mir da nicht so sicher.“

Bei leichten Fällen hilft auch Ablenkung: Neuerdings bieten Praxen Videos oder beruhigende Musik an. Auch detailreiche Bilder oder Aquarien lenken ab. Wenn Sie zu den schmerzempfindlichen Patienten gehören, empfehlen sich eher Termine am Nachmittag. Völlig indiskutabel ist es, wenn Arzt oder Personal den Patienten mit vielen Geräten und Schläuchen im Mund alleine lassen. Wer hilflos ist, der sollte auch betreut werden. 1)

1) Umfassende Informationen über Vorsorge, Behandlung und Kosten einer Zahnbehandlung finden Sie in unserem Patientenratgeber „Gesunde Zähne“ (siehe dazu: Produkte - "Gesunde Zähne").

Pulver, Narkose

Vor besonders schmerzhaften oder langwierigen Behandlungen können Sie als Patient den Zahnarzt auch um ein Beruhigungsmittel bitten. Das sollte allerdings die Ausnahme und nie die Regel sein.

Manche Patienten, die unter sehr schweren Zahnarztphobien leiden, erhoffen sich von der Vollnarkose Hilfe. Sie ist aber nur teilweise sinnvoll, etwa beim Ziehen von Zähnen oder der Behandlung sehr tiefer Karies. Kronen oder Brücken lassen sich hingegen mit Hilfe der Vollnarkose kaum anfertigen. Dr. Günther Knogler, Pressesprecher der Wiener Zahnärzte: „Der Mund hat sehr starke Muskeln; es braucht daher eine sehr tiefe Narkose, damit die sich entspannen. Und jede Vollnarkose ist eine schwere Belastung für den Körper, bisweilen eine schwerere als die Zahnbehandlung selbst.“ Jeder Zahnarzt muss bei der Behandlung mit Vollnarkose einen Anästhesisten zuziehen; das bedeutet in der Regel einen Eingriff in der Klinik. Die Kassen bezahlen die Kosten für die Narkose nur in Ausnahmefällen. Privat kostet die erste Stunde Narkose meist 3000 bis 4000 Schilling, jede weitere halbe Stunde schlägt mit etwa 1500 Schilling zu Buche. Die Angst vor dem Zahnarzt und ihre Ursachen bringt die Narkose kaum zum Verschwinden.

Ein ganz anderer Weg, die Angst zu reduzieren, sind verschiedene Methoden der Entspannung (autogenes Training, progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen), der Suggestion und Hypnose, wobei eines ins andere greift. Suggestion arbeitet mit bildhaften Vergleichen („Ihr linkes Oberkiefer wird immer kälter und gefühlloser“) und lenkenden Worten, um den Körper zu entspannen. Mit Hilfe suggestiver Formeln arbeitet auch ein Hypnotiseur, der seine Patienten in einen trancenahen Zustand – ähnlich den Sekunden vor dem Einschlafen – versetzt.

Hypnose

Hypnose dämpft äußere Reize, zum Beispiel Schmerzen, ohne sie aber ganz zu beseitigen. „Ideal“, so erklärt Dr. Robert Schoderböck, Zahnarzt und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Hypnose, „ist die Kombination von Hypnose und Spritze“. „Geeignet“, so Schoderböck weiter, „ist sie aber auch bei Kindern, bei Angstpatienten, Patienten mit Würgereiz und Menschen, die keine Spritze vertragen. Ungeeignet ist sie bei Autisten und psychisch instabilen Menschen wie Schizophrenen.“

Bei der oberflächlichen Hypnose fühlen Sie sich wach und erleben die Behandlung bewusst mit. Die tiefe Hypnose ähnelt einem schlafähnlichen Zustand – aber die ist beim Zahnarzt kaum üblich. Wie gut sie funktioniert, ist allerdings von Patient zu Patient sehr unterschiedlich. Hypnose kann auch helfen, die Lokalanästhesie schneller und besser wirken zu lassen: Meist genügt eine geringere Menge Betäubungsmittel oder die normale Dosis wirkt länger. „Bei mir braucht es meist ein bis drei Sitzungen unter Hypnose. Dann schafft der Patient das meist alleine“ (Schoderböck). Nachteil: Eine Spritze betäubt rasch, die Hypnose wirkt erst nach 15 bis 20 Minuten – und die Zeit von Zahnärzten ist teuer. Erwarten Sie sich daher von der Hypnose keine Wunder. Für Hypnose gibt es keinen Kassenzuschuss. Die Kosten liegen bei Kindern zwischen 700 und 1000 Schilling, bei Erwachsenen zwischen 1000 und 1700 Schilling pro Sitzung.

Die Angst vor dem Zahnarzt lässt sich auch durch Psychotherapie (etwa Verhaltenstherapie) in den Griff bekommen. Ob und wie weit die Krankenkassen in solchen Fällen einen Zuschuss bezahlen, war trotz intensiver Recherchen nicht zu erfahren. Die Stundensätze der Psychotherapeuten bewegen sich um die 800 Schilling.

Goethe übrigens hat seine Höhenangst selbst therapiert. Er ist zu einer Kirche gegangen und auf den Turm gestiegen. Jeden Tag, Stufe um Stufe, und jeden Tag ein bisschen höher…

Das können Patienten selbst tun

  • Verabreden Sie vor der Behandlung mit Ihrem Zahnarzt Zeichen, bei dem er die Arbeit vorsichtiger fortsetzt oder ganz unterbricht.
  • Teilen Sie ihm auch mit, ob er Sie ständig über seine Arbeitsgänge unterrichten soll.
  • Manchen Patienten hilft es, wenn sie selbst den Speichelsauger halten oder mit einem Handspiegel dem Zahnarzt zusehen.
  • Blicken Sie in die Lampe über sich und versuchen Sie, sich den idealen Urlaubsort vorzustellen.
  • Malen Sie sich aus, dass Ihr Kiefer immer kälter und kälter wird, so dass Sie gar nichts mehr spüren vor Kälte.

Zeichen der Angst

Verkrampfung, Bauchweh, Brechreiz, Herzrasen, Zittern, Schwitzen, Übelkeit, Kurzatmigkeit, Erstickungsgefühl, Brustschmerzen und Angst vor dem Verlust der Kontrolle. – Wenn mehr als vier dieser Hinweise gleichzeitig auftreten, liegt aller Wahrscheinlichkeit eine (Zahn-arzt-)Phobie (so der Fachausdruck für große Angst) vor. Die Phobie kann in schweren Fällen auch in Panik umschlagen, also in angstvolle Erregung mit zielloser Flucht, ohne jede vernünftige Kontrolle.

Weitere Infos

Informationen über Zahnärzte, die mit Hypnose oder Vollnarkose arbeiten, erhalten Sie unter der Telefonnummer 01/515 01/238 oder 278 (Kurie der Zahnärzte).

Deutsche Gesellschaft für Zahnbehandlungsphobie; Ludwig-Thoma-Straße 9, D-83031 München-Grünwald (Telefon 00 49/89/649 107 60 – www.zahnarztphobie.de ).

Kompetent mit Konsument

  • Ablenken hilft. Bei leichten Fällen lenken Zaubertricks, Musik, Videos, Aquarien... die Aufmerksamkeit ab.
  • Nie allein lassen. Ein hilfloser Angstpatient braucht ständige Betreuung.
  • Hypnose. Verringert den Schmerz (ohne ihn ganz zu beseitigen); auch für Kinder.
  • Vollnarkose. Sie belastet den Körper; nur in speziellen Fällen.

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