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Greenwashing der Welt, die Welt wird mit einer Greenwash-Pinsel-Konzeptillustration gestrichen
Bild: HollyHarry / Shutterstock.com

Greenwashing - Alles Fassade

, aktualisiert am

Unternehmen verpassen sich immer öfter einen "grünen Anstrich". Alles Fassade oder ernst zu nehmende Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit? Wir haben bei Experten nachgefragt.

Nunu Kaller (Greenpeace), Stefan Grasgruber-Kerl (Südwind), Raphael Fink (Österr. Umweltzeichen) (Foto: Südwind_AlexanderChitsazan, Foto: Greenpeace_Mitja Kobal)

KONSUMENT im Gespräch mit Nunu Kaller (Greenpeace), Stefan Grasgruber-Kerl (Südwind) und Raphael Fink (Österr. Umweltzeichen).

Lesen Sie auch: Greenwashing - VKI startet Projekt zur Nachhaltigkeit und Greenwashing-Check: Meldeformular

Schummeln für den guten Ruf

Mit wachsendem Bewusstsein der Konsumenten steigt der Druck auf Unternehmen, nachhaltige Produkte anzubieten. Immer mehr Unternehmen und PR-Profis springen auf diesen Zug auf. Sie bieten "grüne" ­Lösungen an, die auf den ersten Blick umweltfreundlich, ethisch korrekt und fair ­erscheinen. Bei näherer Betrachtung halten sie nicht immer, was sie versprechen. In der Branche spricht man auch von "Green claims", "environmental advertising" oder ganz einfach von Ökoschmähs. Ein Problem, dem sich auch das International Consumer Protection Enforcement Network mit seiner jährlichen Aktion gegen Betrug an Konsumenten (Fraud Prevention Month) widmet. - Wie Kunden Green-Washing erkennen können, erklären drei Experten anhand von Beispielen.

Was ist Greenwashing?

Wenn einer der größten Hersteller von Getränken in Plastikflaschen versucht, sich medienwirksam mit einer Sammelaktion von Plastikmüll zu brüsten. Das ist das ein klassischer Fall von Greenwashing. Mit dem wachsenden Anspruch der Verbraucher (und auch Investoren) in Sachen Nachhaltigkeit und ethischer Konsum werden die Ideen der PR-Profis immer frecher. Die Palette reicht von Beschönigungen bis zu glatten Lügen.

Die 7 Sünden des Greenwashing, definiert vom Netzwerk Underwriters Laboratories Environment:

1. Versteckte Kompromisse: Produkte werden mit einem umweltfreundlichen Aspekt beworben; andere, weniger ethisch korrekte, werden unter den Tisch gekehrt. So wirbt Nespresso mit dem Recycling von Kaffeekapseln, das nur einen kleinen Teil der Müllentsorgung ausmacht – und stellt die Kapseln weiterhin aus umweltschädlichem Aluminium her.

2. Fehlende Nachweise: Etiketten wie "ökologisch" oder "nachhaltig" sagen ohne Zertifizierung nichts über die tatsächlichen Produktionsbedingungen aus.

3. Unschärfe: Unklare und oft missverständliche Aussagen wie "nachhaltigere Baumwolle" klingen zwar gut, sind aber nicht automatisch gleichbedeutend mit ökologisch produzierter Ware.

4. Irrelevanz: Darüber, dass z.B. eine Avocado, die ja ganz klar pflanzlicher Natur ist, das Etikett "vegan" trägt, kann man sich schon wundern. Viel interessanter wäre, zu erfahren, wie Produkte konkret hergestellt werden.

5. Das geringere Übel: Der Konsument wird von den schwerwiegenden Auswirkungen eines Produktes abgelenkt, indem sie überspielt werden. Ein Klassiker ist das "benzinsparende Auto", da Autofahren mit Benzin in jedem Fall umwelt- und klimaschädlich ist.

6. Lügen: Dazu gehören alle falschen Aussagen, die Verbraucher gezielt in die Irre führen.

7. Falsches Label: Sich im Gütesiegeldschungel zurechtzufinden, ist für Konsumenten eine Herausforderung geworden. Es gibt seriöse Zertifizierungen und solche, die schlichtweg erfunden sind.

Beispiel: Mars

Der Schokoladenhersteller hat kürzlich ein neues Nachhaltigkeitsprogramm vorgestellt: Cocoa for Generations soll die Interessen der Kleinfarmer in den Mittelpunkt stellen, Kinder und Wälder schützen und einen Weg zur Förderung von Kakao­farmern ebnen.

Nunu Kaller (Greenpeace):

"Wie viele andere Unternehmen im Schokolade-Bereich hat auch Mars sein eigenes Nachhaltigkeitsprogramm, das klares Greenwashing betreibt. Anstatt unternehmensunabhängig kontrollierten und zertifizierten Kakao (Fairtrade, Rainforest, Bio) zu verwenden, und das am Produkt für die Konsumenten transparent zu machen, gibt es viel unternehmenseigenes „Blabla“, das zum Teil auf Zertifizierungen aufbaut aber auch darüber hinaus gehen soll.

Das Programm "Cocoa for Generations"soll bis 2025 100 Prozent des von Mars eingesetzten Kakaos verantwortungsvoll und rückverfolgbar machen. Wie genau, ist jedoch unklar. Einerseits sagt Mars, es wird die Niveaus von Fairtrade- und Rainforest-zertifiziertem Kakao beibehalten. Andererseits bleibt dadurch unklar, wie genau die 100% dann "verantwortungsvoll" und "rückverfolgbar" gemacht werden sollen.

Schon bis 2020 soll 100% des Kakaos von Mars extern zertifiziert sein, allerdings macht Mars hier keinen Unterschied zwischen Rainforest Alliance/UTZ und Fairtrade. Den Kleinbauern bringt Fairtrade durch Mindestpreis und Prämie deutlich mehr – also sollte Mars hier ein klares Commitment zu Fairtrade-Zertifizierung eingehen. NGOs wie Südwind und Global 2000 machen regelmäßige Label-Checks z.B. zu Schokolade. Dabei werden unternehmenseigene Nachhaltigkeitsinitiativen der Schokoladeanbieter zwar grundsätzlich begrüßt, aber sie sind für Konsumenten nicht am Produkt nachvollziehbar. Und sie stellen keinen Ersatz für unabhängige Zertifizierung dar.
Nähere Infos und Bewertung der Siegel im Südwind und Global 2000 Schoko-Check 2018 finden Sie hier: www.suedwind.at/fileadmin/user_upload/suedwind/X_Downloadliste/Schokolade_Check_2018.pdf"

Stefan Grasgruber-Kerl (Südwind):

"Dieses sogenannte Nachhaltigkeitsprogramm ist klares Greenwashing, da kein unternehmensunabhängig zertifizierter Kakao verwendet wird. In unserem ,Schokoladen-Check’ wurden unternehmenseigene Nachhaltigkeits-Initiativen nicht berücksichtigt, da sie auch für Konsumenten nicht am Produkt nachvollziehbar sind und keinen Ersatz für unabhängige Zertifizierung darstellen."

Raphael Fink (Umweltzeichen): 

"Wie Kaffee ist auch Kakao ein ökologisch und sozial herausforderndes Produkt: Maßnahmen, welche die lokalen Naturräume schützen, die lokale Wirtschaft stützen und zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen, sind zu begrüßen.

Mars ist einer der größten Lebensmittelkonzerne der Welt und in jüngerer Vergangenheit eher weniger mit dem Thema ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit aufgefallen – die Vorwürfe in jüngerer Vergangenheit reichten von Kinderarbeit bis hin zur Zerstörung des Regenwalds.

Insofern kann die vorliegende Kampagne auch als Reaktion verstanden werden. Fraglich, ob hier Vorschusslorbeeren angebracht sind.

Dennoch ist es gut, dass offenbar eine Trendwende eingeleitet wird, die sicherstellen soll, dass Arbeitsrechte eingehalten, Waldgebiete geschützt und fairere Einkommen sichergestellt werden. Im Rahmen einer derartigen Kampagne ist es jedoch auch wichtig, die lokalen Bauern nicht in Abhängigkeit des Konzerns zu bringen. Selbstermächtigung muss hier Vorrang haben.

Es ist ein erster Schritt. Klar ist aber auch, dass auch weiterhin bio-zertifizierte Fair Trade-Schokolade den konventionell erzeugten Produkten von Mars vorzuziehen ist."

Beispiel: Nespresso

Der Kaffeehersteller verspricht auf seiner Website nachhaltig angebauten Kaffee und 100 % nachhaltig genutztes Aluminium – d.h. eine Steigerung der Rücknahmekapazität für gebrauchte Aluminiumkapseln auf 100 %, "überall dort, wo ­Nespresso tätig ist".

Nunu Kaller (Greenpeace): "Wenn ein Hersteller, der Milliarden Kapseln aus Aluminium herstellt, behauptet, damit etwas für die Umwelt zu tun, braucht man nicht viel über Greenwashing zu wissen, um zu erkennen, dass das nicht stimmen kann. Nespressos Ankündigung, 100 % der Kapseln zu recyceln, ist völlig unrealistisch. Ein großer Teil der Kapseln landet im Restmüll und wird in Österreich verbrannt."

Stefan Grasgruber-Kerl (Südwind): "Wie viele andere Unternehmen im Kaffee-Bereich hat auch Nespresso sein eigenes Nachhaltigkeitsprogramm, setzt dabei aber auf Zusammenarbeit mit unabhängiger Zertifizierung durch Rainforest Alliance und Fairtrade – was zu begrüßen ist. Aber nur wo Fairtrade drauf ist, ist auch wirklich Fairtrade drin. Also sollten Konsumenten genau hinschauen: Wer Nespresso kaufen will, sollte nur die Kapseln mit Fairtrade-Siegel kaufen. Derzeit ist das allerdings nur eine (!) Kapsel von 28 aktuell verfügbaren im österreichischen Online-Shop.
Auch das Fairtrade-Siegel ändert nichts daran, dass problematische Aluminium-Kapseln verwendet werden, und dass damit zusätzlich der Nestlé Konzern unterstützt wird, der für Wasserprivatisierung und Steuervermeidung steht. An diesen grundsätzlichen Problemen ändern auch Kapsel-Recycling Programme und die „Nespresso Vision“, die die CO2 Bilanz um 10% verbessern möchte, nur wenig."

Raphael Fink (Umweltzeichen):

"Das Kerngeschäft von Nespresso besteht darin, eine kleine Menge eines oftmals unter sozial schwierigen Bedingungen hergestellten Produkts, eine Portion Kaffee, mit sehr viel ökologisch problematischer Verpackung drum herum zu verkaufen. Die besteht neben Kunststoff auch aus Aluminium. Dessen Abbau ökologisch sehr bedenklich (Abholzung von Regenwald, giftiger Rotschlamm als Abfallprodukt), extrem energieaufwändig und sehr treibhausgasintensiv ist.

Damit die Kapseln rezykliert werden können, müssen sie eigens an Nespresso retourniert werden. Nespresso selbst spricht davon, die Recyclingkapazität auf hundert Prozent steigern zu wollen. Die Kapazität ist jedoch etwas anderes als die tatsächliche Recyclingquote – also wie viel Kapseln tatsächlich wiederverwendet und aufbereitet werden. Diese tatsächliche Recyclingquote entscheidet aber, ob die Kapseln mehr oder minder ungenutzter Abfall bleiben oder als Wertstoff in den Kreislauf zurückfinden. Hier wird also unsauber, man möchte sagen: beinahe täuschend, argumentiert.

Auf sozialer Seite hat Nespresso zusammen mit der NGO Rainforest Alliance ein eigenes Nachhaltigkeitsprogramm für Kaffeebauern, das Nespresso AAA Sustainable Quality, lanciert.  Bleibt die Frage offen: Warum nicht bio, warum nicht Fair Trade? Das macht skeptisch: von der Industrie geschaffene, sich selbst aufgelegte und dann promotete Labels sind tendenziell mit Vorsicht und Skepsis zu betrachten.

Selbst wenn Nespresso einen gewissen Aufwand im Bereich sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit betreibt, bleibt der Eindruck, dass einzelne positive Aspekte betont werden, um andere negative Seiten des Produkts zu verschleiern. Es sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei Kapselkaffee per se, aufgrund des Ressourcenaufwands, um kein nachhaltiges, kein grünes Produkt handelt. Auch weiterhin vertreibt Nespresso ein Produkt, das es früher schon gab, nur neu und unökologisch verpackt – aber das eben mit dem intensiven Beigeschmack von Lifestyle.

Wer wirklich grünen Kaffee kaufen möchte, trinkt nicht Nespresso, sondern greift am besten zu Bio-Fair-Trade-Kaffee (am besten in der Ein- oder Fünf-Kilogramm-Verpackung, denn je mehr Produkt in einer Verpackung, desto ökologischer). Und wer gerne Nespresso trinkt, sollte sich des bitteren Nachgeschmacks, den die Nestlé-Tochter mit sich bringt, bewusst sein – und nicht zusätzlich noch ein grünes Gewissen haben."

Beispiel: H & M

Der Modegigant verspricht seinen Kunden Nachhaltigkeit auf allen Ebenen, etwa mit dem Conscious-Siegel und "nachhaltigerer Baumwolle", oder mit dem Recycling von zurückgebrachter Kleidung, die weiterverkauft oder wieder verarbeitet werden soll.

Nunu Kaller (Greenpeace): "Ein Unternehmen, das wöchentlich neue Produkte in den Läden hängen hat und ein minimaler Anteil davon ist ,conscious’, ist per se schwierig. Nur ein Prozent dessen, was an Altkleidern gesammelt wird, lässt sich wirklich als Recycling-Faser in neue Kleidung mischen. Bei einer rundherum schlechten Produktion an ein, zwei Hebeln zu drehen, macht noch lange keine Nachhaltigkeit."

Stefan Grasgruber-Kerl (Südwind):

"Die „Conscious-Kollektion“ ist klares Greenwashing, da nur eigene Unternehmensverpflichtung. Ehrlicherweise sollte H&M statt "Conscious" einfach klar kommunizieren, was genau drin ist; also bio-zertifiziert oder recycelt oder BCI (Better Cotton Initiative).

Die Verwendung echter zertifizierter Bio-Baumwolle ist natürlich zu begrüßen. BCI ist zu wenig (siehe Antwort bei IKEA). Im Verarbeitungsbereich zahlt H&M trotz seines eigenen Versprechens aus 2013 bis heute keine existenzsichernden Löhne (siehe dazu www.cleanclothes.at/de/themen/news/krieg-die-kurve-h-m/. 
Das Fazit fällt somit ident aus, wie bei IKEA: Wenn H&M seine Conscious Kollektion wirklich verantwortlich produzieren würde, würde er Fairtrade oder/und biozertifizierte (z.B. GOTS)-Baumwolle verwenden, seinen Nähern existenzsichernde Löhne zahlen und einer glaubwürdigen sozialen Überprüfungsinitiative beitreten (wie z.B. Fair Wear Foundation).

Prinzipiell ist es gut, dass sich H&M um Altkleidung Gedanken macht. Leider ist es noch zu unklar, was genau damit passiert. Kleidung in gutem Zustand wird laut Website "als Second-Hand-Ware auf der ganzen Welt verkauft". Welche verheerenden Auswirkungen das auf lokale Märkte hat, ist mittlerweile bekannt."

Raphael Fink (Umweltzeichen):

"Alte Kleidung zurückgeben, die als Second-Hand-Kleidung verkauft, als Füllstoff oder Putzlappen weitergenutzt oder überhaupt rezykliert wird. Dafür vielleicht sogar einen Gutschein für den nächsten Kauf bekommen. Klingt gut?

Ist es nicht unbedingt. Das Problem beginnt damit, dass billige Kleidung, die mit den neuesten Trends mithält, und Nachhaltigkeit kaum Hand in Hand gehen. Gerade im Textilbereich ist weniger oft mehr.
Alte Kleidung zurückgeben, dafür einen Gutschein zu erhalten, um sich neues Gewand zu kaufen – das löst keine Probleme, sondern trägt dazu bei, dass sie weiter bestehen. Weil weiter gekauft wird, immer mehr vom selben. 
Alte Kleidung in anderen Märkten der Welt als Second-Hand-Kleidung zu verkaufen, klingt ebenfalls besser als es ist. In Tansania beispielsweise hat der Verkauf von billiger Second-Hand-Kleidung dazu beigetragen, dass die lokale Textilproduktion zusammengebrochen ist. In weiterer Folge eine ganze Bevölkerungsschicht verarmte. 
Und die Rezyklierung von Textilfasern ist aufgrund der Mischgewebe oft sehr schwierig und nur unter sehr  großem Aufwand herstellbar.

Hier appelliert H&M also an das öko-soziale Gewissen seiner Kunden, um Probleme zu lösen – die Kleiderriesen wie H&M überhaupt erst mitverursacht haben. Das entbehrt nicht einer gewissen Doppelbödigkeit. Aber natürlich kann theoretisch so auch eine Strategie aussehen, umweltbewusste und sozial eingestellte Kunden überhaupt erst in die eigenen Filialen zu bekommen. Ein klassischer Fall von Greenwashing.

Die echte Lösung liegt hier einfach darin, weniger, faire und nachhaltig erzeugte Kleidung (z.B. aus Bio-Baumwolle) zu kaufen. Die Textilbranche ist ein Bereich, der die Grenzen nachhaltigen Konsums aufzeigt: nicht Konsum bringt hier die Lösung, sondern erst die Reduktion beziehungsweise noch besser der Verzicht. Eine alte Socke zu bringen und stattdessen ein neues T-Shirt zu kaufen, löst aber mit Sicherheit kein Problem – weder aus sozialer Sicht noch aus Umweltperspektive."

Beispiel: IKEA

"Wir setzen voll auf Baumwolle aus nachhaltigeren Quellen", verkündet Ikea auf seiner Website. "Seit dem 1. September 2015 stammt die gesamte Baumwolle für IKEA Produkte aus nachhaltigeren Quellen." 77 Prozent davon werden als "Better Cotton" bezeichnet.

Nunu Kaller (Greenpeace): "Die Better Cotton Initiative ist ein gutes Beispiel, wie man es nicht machen sollte. Die Industrie hat sich selbst ein Siegel geschaffen für ,bessere’ Baumwollproduktion. Besser als was? Die Ziele der BCI sind sehr industriefreundlich, das heißt, sie tun nicht weh, sie wirken sich nicht auf die Umsatzzahlen aus. Doch sie gehen nicht weit genug. Besser ist nicht gleich gut."

Stefan Grasgruber-Kerl (Südwind):

"Das von Ikea selbst gewählt Wording "nachhaltigere Baumwolle" zeigt schon, dass es sich klar um Greenwashing handelt und nicht um wirklich nachhaltige Baumwolle.

Zu 77% setzt Ikea dabei auf Baumwolle von der Better Cotton Initiative (BCI). Die restlichen Anteile sind 17% recycelt und 6% sind als „towards BCI“ angegeben.

BCI setzt zwar kleine Verbesserungen im konventionellen Baumwollanbau. Es handelt sich aber nicht um Bio-Landbau und damit bleiben die Probleme des massiven Pestizid- und Wassereinsatzes bestehen. Genmanipuliertes Saatgut ist bei BCI erlaubt. Es gibt keine Preisaufschläge für BCI-Baumwolle für die Bauern. Die Einhaltung der Standards wird durch die Produzenten selbst evaluiert, es gibt nur stichprobenartige externe Kontrollen.

Auch menschenunwürdige Arbeitsbedingungen werden von BCI nicht angegangen oder kontrolliert.
Die Auszeichnung von 6% als "towards BCI" bedeutet Baumwollanbau, der in Umstellung Richtung BCI ist, aber noch nicht einmal die ohnehin geringen BCI-Richtlinien erfüllt.

Außerdem sollte es bei wirklich nachhaltiger Baumwolle natürlich auch um die Weiterverarbeitung gehen – also Spinnen, Weben, Nähen – und hier setzt IKEA leider keine Initiativen für Verbesserungen und mehr Arbeitssicherheit – wie auch die aktuelle Kampagne von Clean Clothes zu Ikea in Bangladesch zeigt: https://cleanclothes.org/news/2018/06/01/work-to-make-bangladeshi-factories-safe-continues-but-ikea-refuses-to-join

Wenn Ikea Nachhaltigkeit in diesem Bereich ernst nehmen würde, würde es Fairtrade oder/und biozertifizierte (z.B. GOTS)-Baumwolle verwenden und einer sozialen Überprüfungsinitiative beitreten wie z.B. Fair Wear Foundation.

Im Unterschied zu BCI ist der Global Organic Textile Standard (GOTS) 1. Bio und 2. gültig für die ganze Kette und nicht nur den Baumwollanbau.

Nähere Informationen zu BCI und den anderen auch glaubwürdigeren Siegeln im Siegel-Check von Clean Clothes: https://www.cleanclothes.at/media/filer_public/ea/09/ea09050f-64ae-4e89-a9cf-8d6028a96818/labelcheck_80x115mm_web-einzel.pdf"

Raphael Fink (Umweltzeichen): 

"Die Möbelbranche ist eine ressourcen- und energieintensive Branche. Auch die als Füllstoff und für Bezüge verwendete Baumwolle ist ein ökologisch und sozial mit großen Herausforderungen verbundener Rohstoff. Der Anbau von Baumwolle erfordert große Mengen Wasser und oftmals einen hohen Chemikalieneinsatz (Pflanzenschutz- und Düngemittel). In Kombination führt das in den Anbaugegenden oft zu Dürre, ausgelaugten Böden und Bodenerosion. Auch sind mit der Produktion oft soziale Probleme (Kinderarbeit, niedrige Löhne, Arbeitszeiten,…) verbunden.

Der Blick auf die Nachhaltigkeitsseiten heimischer Möbelhäuser zeigt allgemein, dass noch viel Luft nach oben besteht. Hier ist IKEA einen Schritt weiter: in seinem Nachhaltigkeitsbericht legt das Unternehmen ausführlich dar, welche Schritte in welchen Bereichen gesetzt werden. Sowohl im Kerngeschäft, der Möbelherstellung und des Möbelvertriebs, als auch im weiteren Umfeld (zum Beispiel im IKEA-Restaurant) und der vorgelagerten Lieferkette (wie z.B. im Bereich der Baumwolle). Das ist klar zu begrüßen.

Im Baumwollbereich hat IKEA einen eigenen Standard, den IWAY-Verhaltenskodex, für seine Baumwollproduzenten und -lieferanten entwickelt. Dieser formuliert Auflagen in Bezug auf Dokumentationspflichten, arbeitsrechtliche Bedingungen und Umweltaspekte. Bei Einhaltung dieser Kriterien kommuniziert IKEA, dass die Baumwolle aus nachhaltigeren Quellen stammt.

Das erscheint angemessen. Faktum ist aber auch, dass es sich bei der Baumwolle nicht um definitiv noch nachhaltigere biologisch erzeugte Fair Trade-Baumwolle handelt. Konkret handelt es sich bei der von IKEA eingeforderten Produktionsweise um sogenannte Integrierte Produktion. Anders ausgedrückt: optimierte konventionelle Landwirtschaft, ergänzt um soziale Anforderungen (die sich oft auf die Einhaltung gesetzlicher Mindeststandards beziehen). Das ist nicht nichts und konventioneller Baumwolle definitiv vorzuziehen.

Im Sinn einer langfristigen Strategie sollte IKEA als wichtiger Abnehmer von Baumwolle aber auch seine langfristige Verantwortung wahrnehmen. Daher sollte es Bestrebungen geben, die Branche noch umweltfreundlicher und sozial verträglicher zu gestalten, in Richtung ökologischer und fairer Landwirtschaft. IKEA hat in diesem Bereich einen wichtigen ersten Schritt gesetzt – weitere müssen aber folgen, damit tatsächlich ein breit angelegter Nachhaltigkeitswandel im Baumwollbereich erfolgen kann."

Beispiel: OMV

"OMV wandelt Kunststoffmüll in Rohöl um", titelt eine Presseaussendung des österreichischen Öl- und Gasunternehmens OMV. Aus Altkunststoffen werde synthetisches Rohöl gewonnen, aus rund 100 Kilogramm Verpackungsmaterial 100 Liter Rohöl pro Stunde produziert.

Nunu Kaller (Greenpeace): "Ich halte das für den Inbegriff einer falschen Lösung. Mit viel Energie wird aus Rohöl Plastik gemacht, um dann mit genauso viel Energie wieder Öl draus zu machen. Chemisches Recycling von Rohstoffen und die Herstellung von Öl aus Plastik folgen demselben Prinzip. Wenn das Öl für Benzin verwendet wird, besteht wenig Unterschied zum Verbrennen von Plastik – dabei werden fossile Treibstoffe verbrannt. Und wenn das Öl dafür verwendet wird, mehr Plastik herzustellen oder andere chemische Prozesse in Gang zu bringen, handelt es sich um chemisches Recycling. Die Beschreibung, dass 'Kunststoffmüll in Rohöl umgewandelt' wird, ist irreführend, da im Prinzip der Herstellungprozess umgekehrt wird – heraus kommt dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Mixtur aus Zusatzstoffen und Schadstoffen."

Raphael Fink (Umweltzeichen):

"Das Kerngeschäft der OMV ist die Energiebereitstellung aus fossilen Energieträgern. Das ist per se kein nachhaltiger Sektor.
Daran ändert sich auch dann nichts, wenn Kunststoffabfall unter Energieeinsatz zu Rohöl geschmolzen wird. Weniger, weil dieses eventuell, unter weiterem Energieaufwand, erst wieder zu Diesel, Benzin, usw. raffiniert werden muss. Sondern weil wir uns damit weiterhin von Erdöl abhängig machen. Von dessen Einsatz und Verbrennung wir, um den Klimawandel aufzuhalten, unbedingt abkommen müssen.
Darüber hinaus lässt sich auch quantitativ zeigen, dass der Versuch, Kunststoffabfall zu Rohöl zu schmelzen, tendenziell in den Bereich Greenwashing fällt.

Laut Umweltbundesamt Österreich fallen in Österreich jährlich rund 0,9 Millionen Tonnen Kunststoffabfall an. 28 Prozent davon werden wiederverwertet, 71 Prozent verbrannt und 1 Prozent deponiert. Zur Wiederverwertung werden vor allem reine Kunststoffabfälle aufbereitet. Also stellt sich die Frage, ob die OMV in Konkurrenz zu den wiederaufbereitenden Betrieben tritt – oder zu jenen Unternehmen, die den Kunststoff zu thermischen Zwecken (z.B. Fernwärme) verbrennen.

Gesetzt den Fall, die OMV würde tatsächlich, wie behauptet, ein Drittel des österreichweiten Kunststoffabfalls (0,299 Millionen Tonnen) zu ReOil schmelzen, entspräche die so gewonnene Menge ReOil knapp unter 2,9 Prozent der jährlich von der OMV erzeugten Menge Erdöl. Ein bedenklich niedriger Prozentsatz, um von Nachhaltigkeit oder „green“ zu sprechen.

Kunststoffabfall muss an erster Stelle vor allem reduziert werden. An zweiter Stelle derart rezykliert werden, dass er wieder als Ausgangsmaterial dienen kann. Und erst zuletzt als Brennstoff dienen – da bei der Verbrennung klimaschädliche Treibhausgase freigesetzt werden.

Nachhaltiger wäre es, wenn die OMV auf erneuerbare Energien setzen würde - anstatt weiterhin fossile Brennstoffe und folglich deren Abhängigkeit zu forcieren. Ergänzend dazu sind auch zusätzliche Investitionen in Forschung, Entwicklung und Verbreitung von Speichermöglichkeiten überschüssiger erneuerbarer Energien – z.B. sogenannter Power-to-Gas-Technologien - dringend notwendig.

Und selbst wenn ReOil den ehrlichen Versuch der OMV darstellen sollte, herauszufinden, wie das Unternehmen in einer Nach-Erdöl-Welt bestehen könnte: Solange im Kerngeschäft weiterhin im großen Stil auf fossile Brennstoffe gesetzt wird, haben derlei Bestrebungen, vorerst nur einen Anschein: den des grünen Anstrichs einer ganz schmutzigen Branche."

Beispiel: Vöslauer

Der österreichische Mineralwasserproduzent verspricht mit einer freiwilligen Selbstverpflichtung, die nach Aussage des Unternehmens bei der EU gemeldet wurde, einen höheren Einsatz von Recyclat-Material in der Flaschenproduktion. "Das bedeutet in konkreten Zahlen eine Steigerung von aktuell 3.300 Tonnen rePET (recyceltes PET) auf 5.500 Tonnen rePET bis zum Jahr 2025", schreibt Vöslauer.

Nunu Kaller (Greenpeace): "Die 100 Prozent RePET Flaschen sind definitiv ein sehr guter Schritt. Damit lässt sich viel neu produzierter Kunststoff einsparen. Auch, dass Vöslauer als erster Produzent die Pfand-Glasflasche wieder eingeführt hat, ist sehr begrüßenswert. Grundsätzlich ist Vöslauer ein Unternehmen, das daran arbeitet, in seinem Kerngeschäft nachhaltige Verbesserungen zu erzielen, aber der Weg ist sicherlich noch ein weiter."

Raphael Fink (Umweltzeichen): 

"Vöslauer beschäftigt sich in seinem Kerngeschäft, dem Verkauf von in Flaschen abgepacktem Wasser, mit der Reduzierung des Materialaufwands, der Erhöhung des Einsatzes von rezykliertem PET und dem Test von alternativen Verpackungslösungen.

Das geht aus Nachhaltigkeitsperspektive in die richtige Richtung, denn: refuse, reduce, reuse, recycle, rot. Den Einsatz von Materialien zu reduzieren, ist ökologischer als lediglich mehr rezykliertes Material zu verwenden. Die Reduktion des Materialaufwands und der Einsatz wiederverwerteter Materialien müssen Hand in Hand gehen – einerseits um den Materialverbrauch insgesamt zu senken, andererseits, weil oftmals gar nicht ausreichend wiederverwertetes Material am Markt vorhanden ist.

Dennoch gäbe es bessere Alternativen als rezykliertes PET. Etwas, was es schon einmal im großen Stil gab. Glas. Mehrweg ist aus ökologischer Perspektive besser als Einweg. Auch besser als Einweg aus wiederverwerteten Materialien.

Deshalb wäre es wünschenswert, dass Getränkehersteller wie Vöslauer wieder vermehrt auf Mehrwegglasflaschen setzen – und das nicht nur in der Gastronomie bzw. im Großhandel. Sondern auch im Lebensmitteleinzelhandel, um für Konsumenten ein breites nachhaltiges Angebot zu schaffen. Für zuhause oder das Büro können Mehrwegglasflaschen eine ökologische und auch praktikable Alternative darstellen – für unterwegs oder beim Sport gibt es dann die rePET-Flasche. Vöslauer könnte als Big Player in diesem Bereich auch bei der Kommunikation einen Hebel ansetzen – damit so der Weg zu echter Nachhaltigkeit geebnet wird. Zentral ist hierbei aber auch die Einbindung des Lebensmitteleinzelhandels – der sich gerne auf die Konsumenten ausredet, die Mehrweg angeblich nicht wollen. Wenn es beim Bier funktioniert: warum nicht auch beim Wasser?"

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