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Landraub: österreichische Firmen - Heimische Übeltäter

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An der weltweiten Jagd nach Land ist auch Österreich beteiligt. Zahlreiche heimische Unternehmen sind in Landraub involviert, vor allem in Ost- und Südeuropa.

1 Auch österreichische Firmen beteiligen sich am Landraub in Osteuropa (Illustration: Leszek Wisniewski)Im Jahr 2014 trat in Ungarn ein verschärftes Bodengesetz in Kraft, um "ungarischen ­Boden vor Spekulanten zu schützen". Von dem ­Gesetz waren hauptsächlich Österreicher betroffen, die in Ungarn große Flächen ­erworben hatten.

Der Hintergrund: Unternehmen aus Österreich zählen – auch im Agrarbereich – in vielen süd- und osteuro­päischen Ländern zu den bedeutendsten ausländischen Investoren. Die Gründe liegen für FIAN, Menschenrechtsorganisation für das Recht auf Nahrung, auf der Hand: Die Preise für landwirtschaftlichen Boden liegen in Ost­europa noch immer deutlich unter dem ­mittel- und westeuropäischen Durchschnitt. - Lesen Sie auch: Österreichische Holzkonzerne in Rumänien zu Millionenstrafen verurteilt

Verschiebung der Besitzverhältnisse

Nach Schätzungen des österreichischen Landwirtschaftsministeriums bewirtschaften rund 200 österreichische Betriebe 200.000 Hektar Land in Ungarn, das sind vier Prozent der ­ungarischen Agrarfläche.

Das Problem dabei: Von dieser "massiven Verschiebung der Besitzverhältnisse" ­würden vor allem Kleinbauern "kaum profitieren". Zu diesem Schluss kommt eine FIAN-Studie. Fast die Hälfte der landwirtschaftlichen Betriebe in Europa sind kleine Bauernhöfe mit weniger als zwei Hektar.

"Land­eliten" durch Agrarpolitik gefördert

In Summe halten sie nur zwei Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Demgegenüber verfügen Grundbesitzer mit mehr als 100 Hektar – das sind gerade drei Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe – über die Hälfte der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche in der EU.

Diese "Land­eliten" werden im Rahmen der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik (GAP) aktiv durch ­öffentliche Gelder gefördert – etwa durch ­flächenbezogene Subventionen.

 

Lesen Sie auch unserenLandraub - Jagd nach Land, der sich mit den globalen Auswirkungen von Land Grabbing auseinandersetzt. Bild: fuyu-liu / Shutterstock.com

 

Österreich in Osteuropa

Österreich in Osteuropa

Auch in Rumänien, Serbien oder der Ukraine sind österreichische Investoren aktiv, die sich in großem Stil Land angeeignet haben: Laut der ukrainischen Investmentbank Dragon Capital kontrolliert etwa das österreichische Agrarunternehmen MCB Agricole in der Ukraine bereits 96.000 Hektar Land.

Hohe Wertsteigerungen erwartet

Maharishi Organic Agriculture, ein österreichisch-japanisches Projekt, betreibt in der Kalanchak Region eine Farm auf 48.000 Hektar. Auch Serbiens Felder sehen Investoren laut FIAN als "lohnendes Asset", dessen Wert sich in den nächsten vier Jahren verdoppeln könnte.

In Serbien haben von ­insgesamt 780.000 bäuerlichen Betrieben 140.000 ­weniger als zwei Hektar Fläche zur Verfügung. Vertragspartner des österreichischen Unternehmens Advance Management bewirtschaften dort eine Gesamtfläche von 100.000 Hektar.

Indizien für illegale Abholzung

In Rumänien ist das österreichische Unternehmen Schweighofer aktiv: Es verarbeitet als Marktführer laut FSC (Forest Stewardship Council) 40 Prozent des rumänischen Waldholzes. 2016 verarbeitete Schweighofer nach eigenen Angaben in Rumänien 2,6 Millionen Festmeter Holz. In einem von WWF und EIA präsentierten Bericht wurden 2015 zahlreiche Indizien vorgelegt, nach denen das Unter­nehmen große Mengen an illegal geschla­genem Holz aus Rumäniens Wäldern zu Schnittplatten und Heizmaterial verarbeitet und in die EU sowie in weitere Länder ­exportiert hat.

Auch eine unabhängige ­Untersuchungskommission, die von FSC eingesetzt wurde, kam zu diesem Ergebnis. Der WWF wirft dem Konzern vor, durch seine Praktiken die letzten Urwälder in den Karpaten zu zerstören. Auf dieser Basis entschied der FSC-Vorstand, die FSC-Zertifikate für Schweighofer mit einer Bewährung zu ver­sehen.

Jungbauern in die Emigration gedrängt

"Die Erkenntnis der unabhängigen Untersuchungskommission ist eindeutig: Schweighofer war in illegalen Holzhandel verwickelt und neue Filmberichte lassen stark vermuten, dass die Verstöße aktuell andauern", so Johannes Zahnen, Wald­experte beim WWF. In Rumänien stehen zudem Millionen Kleinbauernbetriebe vor dem Verschwinden, junge Bauern werden in die Emigration gedrängt.

Die Sünden der EU

Die Sünden der EU

Durch die massive Verschiebung der Besitzverhältnisse in diesen Ländern sind weit­reichende Änderungen für die lokale Landwirtschaft zu erwarten. Mitschuld an der Entwicklung, die immer mehr Grund und Boden in den Händen von immer weniger Personen bündelt, trägt laut FIAN auch die Europäische Union durch die Liberalisierung des Landmarkts.

Geschützt werden die österreichischen Investoren durch die sogenannten Intra-EU-BITs (Bilateral Investment Treaties), bilaterale Investitionsschutz­abkommen zwischen EU-Mitgliedstaaten, welche die Rechtssicherheit für im Ausland investierende Unternehmen erhöhen sollen. Österreich hat 12 Intra-EU BITs mit neuen EU-Mitgliedstaaten vor deren EU-Beitritt abgeschlossen.

Mangelnde demokratische Kontrolle

Diese Abkommen sehen unter anderem vor, dass die Investoren Schieds­gerichtsverfahren gegen Staaten anstrengen können. Durch diese könnten grundlegende Menschenrechte infrage gestellt werden, beispielsweise das Recht auf einen ange­messenen Lebensstandard.

Sie widersprechen zwingenden Normen des allgemeinen Völkerrechts, das nach öffentlichen Ver­fahren unter demokratischer Kontrolle und rechtsstaatlichen Mitteln verlangt.

Macht über Boden, Wasser, Saatgut

"Der ­Zugang zu Land ist auch in Europa eine ­menschenrechtliche Angelegenheit, denn ein Teil der europäischen Bevölkerung ist für seine Lebensgrundlage auf direkten Zugang zu Land angewiesen", erklärt FIAN-Akti­vistin Brigitte Reisenberger. "Die Verwaltung von Land muss auch in Europa auf die nachhaltige Produktion von gesunden Nahrungsmitteln abzielen anstatt auf die Profite ­einiger weniger mächtiger Akteure. Durch die Marktliberalisierung wird das Recht auf Nahrung verletzt", so Reisenberger. Sie kritisiert, dass Agrarkonzerne immer mehr Kontrolle über Saatgut, Wasser oder Boden hätten.

Ernährungssouveränität in Gefahr

"Der Zusammenschluss von Bayer und Monsanto etwa steht im Widerspruch zum Recht auf freien Zugang zu Land und Wasser." Reisenberger verweist in diesem ­Zusammenhang auf den Begriff der Ernährungssouveränität. Dieser bezeichne "das Recht der Völker auf gesunde und kulturell angepasste Nahrung, nachhaltig und unter Achtung der Umwelt hergestellt", heißt es in der Erklärung des Forums für Ernährungssouveränität.

Grundgedanke ist das Recht der Bevölkerung, ihre Ernährung und Landwirtschaft selbst zu bestimmen. Darunter fällt auch das Recht auf Vielfalt oder die "Freiheit der Vielfal", wie der Name einer Kampagne von Global2000 gemeinsam mit dem Verein Arche Noah lautete.

Beim Nyéléni Europe Forum für Ernährungssou­veränität kamen im vergangenen Jahr in Cluj-Napoca, Rumänien, Konsumenten und Produzenten aus mehr als 40 Ländern zusammen, um über ein Lebensmittel- und Agrarsystem im Sinne der Ernährungs­souveränität zu diskutieren. Der größte ­Erfolg des Forums war laut FIAN die Ver­netzung osteuropäischer und zentralasia­tischer Organisationen mit ihren westeuropäischen Kollegen.

Entwicklungsprojekt in Afrika

Entwicklungsprojekt in Afrika

Auch in anderen Ländern sind österreichische Unternehmen und Banken in Landnahme verwickelt – wenn auch nicht in demselben Ausmaß wie in Osteuropa. Als Beispiel nennt Brigitte Reisenberger einen Land-Deal in Sambia, dessen Finanzverknüpfungen nach Luxemburg, Deutschland und Österreich führen: Ein Agrarunternehmen des auf ­Mauritius beheimateten Investors Agrivision Africa hat in Sambia in den vergangenen ­Jahren 17.000 Hektar Land gekauft – Land, auf dem zum Teil lokale Bauern Produkte für ihre Selbstversorgung anbauten.

10 Mio vom African Agriculture and Trade Investment Fund

"Das Unternehmen erhielt zehn Millionen Dollar vom African Agriculture and Trade Investment Fund (AATIF), einem in Luxemburg ­angesiedelten Fonds, an dem auch die ­Oesterreichische Entwicklungsbank (OeEB) mit 24 Millionen beteiligt ist."

OeEB- Sprecherin Angelika Rädler hält diese Kritik für unangebracht. Denn der besagte Fonds (AATIF) "zielt mit seinen Finanzierungen gerade auch auf Kleinbauern und Vertragslandwirte ab und unterstützt darüber hinaus Ausbildungsmaßnahmen und Knowhow-Transfer. Damit schließe er eine zentrale Finanzierungslücke am afrikanischen Markt. "Die Investments des Fonds kamen bisher mehr als 30.000 Kleinbauern zugute".

Ausländische Investments nicht leicht einzuschätzen

Dieses Beispiel zeigt, dass es nicht immer leicht ist, die Auswirkungen ausländischer Investments einzuschätzen. Private Investoren mögen zur Finanzierung unverzichtbar sein, sie müssen sich aber an Auflagen halten, deren Einhaltung wirksam kontrolliert wird. Es kann nicht darum gehen, kleinbäuerliche Betriebe zu verdrängen, sie müssen vielmehr in die Projekte eingebunden werden.

Zusammenfassung

  • Was tun? Natürlich lässt sich nicht immer feststellen, ob hierzulande erhältliche Lebensmittel von Landräubern, egal welcher Nationalität, stammen. Am besten ist, Sie kaufen Produkte aus bekannten Quellen – vom Bauern ab Hof oder sauber deklarierte regionale Produkte.
  • Label. Achten Sie auf Umwelt- und Sozial­siegel (Bio-Logos, Fairtrade). Aber Vorsicht: Es gibt viele Großbetriebe, die Bio-Produkte liefern, bei denen der Verdacht auf Landraub nicht ganz von der Hand zu weisen ist.
  • Tipp. Das BIO-AUSTRIA-Logo findet sich hauptsächlich auf direkt vermarkteten Bio-Produkten. Es steht für den Verband der österreichischen Biobäuerinnen und Biobauern (www.bio-austria.at: "Woran erkenne ich bio?")

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Auch in Österreich

Die Landwirte erhalten neue Einheitswerte. Noch dazu kommt ein Drittel der EU-Basisprämie dazugezählt. Ich bin ein Landwirt mit 8 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche. Ich wirtschafte mit Mutterkühen. Der neue Einheitswert mit 6.500 Euro ergibt über 5.000 Euro Pensionsversicherung im Jahr. EU-Prämien sind 2.200 Euro. Das geht sich überhaupt nicht aus. Man muss den Grund verpachten. Denn die großen Betriebe haben sowieso die Höchstbeitragsgrundlage und zahlen nicht mehr Pensionsversicherung ein.

In einigen Jahren werden alle kleinen Bauern aufgeben. Man soll Bauern, die woanders versichert sind, nicht noch einmal zur Kassa bitten. Es ist nichts anderes als eine Art der Enteignung. Ich zahle von meiner Pension als Arbeiter mindest die Hälfte dazu, das sind 650 Euro im Monat, damit der Grund und Boden in meiner Hand bleibt.

Name der Redaktion bekannt
(aus KONSUMENT 5/2017)

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