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Ganzjahresreifen - Der Preis der Bequemlichkeit

Sich zweimal jährlich das Reifenumstecken zu ersparen ist bequem und spart Geld. Allerdings stellt die Verwendung von Ganzjahresreifen nach wie vor einen Kompromiss dar. - Dieser Test ist nur online und nicht im Heft erschienen.

Folgende Ganzjahresreifen der Dimension 175/65 R14 finden Sie in der Testtabelle:

  • Continental - AllSeasonContact
  • Firestone - Multiseason
  • Goodyear - Vector 4 S G2
  • Hankook - Kinergy 4s H740
  • Maxxis - AP2 AllSeason
  • Michelin - CrossClimate
  • Nexen - N Blue 4 Season
  • Nokian - Weatherproof
  • Vredestein  - Quatrac 5

In unserem Produktfinder sind 9 Ganzjahresreifen für Kleinwagen. Bei jedem bekommen Sie Angaben zu: Testurteil, verschiedene Straßenbedingungen: trockene, nasse Farbahn, Eis und Schnee, Kraftstoffverbrauch, Verschleißfestigkeit und Geräusche.


Ständiger Wechsel der Reifen

Das halbjährliche Wechseln von Sommer- auf Winterreifen und wieder zurück wird in der Regel vor allem dann als besonders lästig empfunden, wenn das Auto ohnehin eher wenig genutzt wird. Außerdem stellt es keinen unerheblichen Kostenfaktor dar. Immerhin müssen die Räder nicht nur gewechselt, sondern der nicht benötigte Reifensatz gelagert werden. Auf dem Land ist das ein Vorhaben, das einigermaßen handwerklich Begabte und Gewillte mit Haus und Garage selber machen können. In der Stadt ist es ungleich schwieriger,  insbesondere die Schlepperei der Räder aus und in den Keller. Wer mit dem Wechseln der Reifen nichts zu tun haben will, kommt wohl um das Umstecken der Räder und die Einlagerung nicht herum.

Fahren bis ans Ende 

Die Lösung könnte deshalb lauten: Ganzjahresreifen. Einmal montiert, bleiben sie auf dem Wagen, bis sie der gesetzlichen Profilgrenze nahe kommen (im Wintereinsatz 4 mm, als Sommerreifen 1,6 mm) oder altersbedingt spröd und rissig werden. Das kann je nach Einsatz- und Umweltbedingungen nach vier Jahren schon der Fall sein, mitunter aber auch noch deutlich später. Im Spannungsfeld zwischen Geschäftsinteressen und berechtigten Sicherheitsbedenken gehen die Expertenmeinungen darüber auseinander. Spätestens aber, wenn die Reifen bei der Pickerlüberprüfung Alterserscheinungen zeigen, müssen sie ersetzt werden.

In manchen Fällen gar nicht sinnvoll

Es gibt viele Einsatzgebiete, wo Ganzjahresreifen keinen Sinn ergeben. Gehen wir etwa von folgenden Rahmenbedingungen aus: Die Abnutzung von Reifen ist je nach Fabrikat sehr unterschiedlich, man kann aber mit 25.000 bis 50.000 Kilometer rechnen. Dabei sind die Reifen auf der angetriebenen Achse meist deutlich früher abgefahren. Wer also mehr als 15.000 oder gar mehr als 20.000 Kilometer jährlich unterwegs ist, für den rentiert es sich durchaus, auf Sommer- und Winterreifen zu setzen, denn dieser Autofahrer wird auf jeden Fall beide Reifengarnituren in überschaubarem Zeitraum auf geringe Profiltiefe bringen.

Die teure Variante

Gleichzeitig sind Ganzjahresreifen meist teurer als Sommerreifen des gleichen Formats und Herstellers. Sie orientieren sich preislich an den Winterreifen. Außerdem: Wer viel fährt, hat selten die Möglichkeit, sein Auto bei schlechten Wetterbedingungen einfach stehen zu lassen.

Respektable Ergebnisse

Weder im Sommer, noch im Winter perfekt  

Durch massive Werbekampagnen für Ganzjahresreifen (am auffälligsten war dabei wohl Michelin mit seinem Cross Climate) mag der Eindruck entstanden sein, Ganzjahresreifen hätten es nun qualitativ geschafft, in ihren Eigenschaften sowohl den Sommer- als auch den Winterreifen ganz nahe zu rücken. Und hier gibt unser Reifentest die erste klare Antwort: Das ist nicht der Fall. Ganzjahresreifen sind immer mit mehr oder weniger gravierenden Nachteilen gegenüber Sommer- und Winterreifen behaftet. Wer wirklich das Beste für die jeweilige Jahreszeit will, dem ist von Ganzjahresreifen definitiv abzuraten.

Akzeptabler Kompromiss

Aber: Ganzjahresreifen stellen durchaus einen akzeptablen Kompromiss dar. Denn keiner der getesteten Reifen ist gänzlich durchgefallen, knapp die Hälfte hat sogar ein respektables Ergebnis erzielt. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass nur Reifen getestet werden, deren Reifenlabel beim wichtigsten Kriterium für die Sicherheit, dem Nassgriff, mindestens Note C ausweist. Im groben Überblick ist nur ein Reifen wirklich abgefallen, der Firestone Multiseason, der auch als schwächster beim Nassgriff und auf Eis abschnitt.

Sicher über das Eis

Alle anderen haben auf Eis sogar gut abgeschnitten während der Referenz-Winterreifen fast schon kurioserweise auf Eis nur ein „durchschnittlich“ schaffte. Eine wichtige Erkenntnis daraus: Auf Eis braucht man sich mit Ganzjahresreifen nicht stärker zu fürchten als mit echten Winterreifen.

"Weniger zufriedenstellend" bei Schnee

Anders allerdings auf Schnee: Hier erkennt man, dass Ganzjahresreifen in ihrer Auslegung entweder eher Richtung Sommerreifen tendieren oder eher Richtung Winterreifen. So fällt der Vredestein Quatrac 5 als einziger durch gute Leistungen auf trockener Fahrbahn auf, schafft aber nur ein „weniger zufriedenstellend“ auf Schnee, genauso wie drei weitere seiner Kontrahenten (Maxxis, Hankook und Michelin). 

Kurven, Bremsen, Temperaturfestigkeit

Kurven im Winter 

Noch eine wichtige Botschaft zum Thema Wintereigenschaften: Alle Reifen schneiden in puncto Traktion, also den reinen Vortrieb, auf Schnee recht passabel oder sogar gut ab, was im Wesentlichen auch für das Bremsen gilt. Allerdings trennt sich die Spreu vom Weizen bei der Seitenführung, also bei Kurvenfahrt. Hier entpuppen sich fünf der neun Reifen als „wenig zufriedenstellend“. 

Ausgebremst

Noch ein paar Worte zu den Bremswegen. Auf trockener Fahrbahn liegt der Unterschied bei Vollbremsung aus 100 km/h zwischen dem Besten (Michelin) und dem Schlechtesten (Firestone) bei sechs Metern. Auf Schneefahrbahn sind es 11 Meter mit Ausgangsgeschwindigkeit 80 km/h. Hier gewinnt der Goodyear als bester gegen den Firestone als schlechtester. Beim Bremsen auf Schneefahrbahn von 50 km/h auf 0 dreht sich der Spieß dann um: Hier kommt der beste (Nokian) einem Winterreifen sehr nahe, während der Michelin erst 6,5 Meter später zum Stehen kommt. Das entspricht immerhin noch einer Restgeschwindigkeit von 20 km/h.

Temperaturfest

In diesem Zusammenhang sei noch erwähnt, dass der Goodyear offenbar besonders auf das Nassbremsen hin optimiert wurde, und zwar sowohl bei kalter als auch bei warmer Fahrbahn. Bei Vollbremsung aus 80 km/h verlängert sich der Bremsweg unter 10 Grad Celsius beim Sommerreifen um rund fünf Meter, während sich über 15 Grad Celsius der Bremsweg des Winterreifens um zwei Meter verlängert. Der Goodyear erreicht in beiden Fällen die guten Werte der Sommer wie auch der Winterreifen, kann also als besonders temperaturfest gelten.

Verkappter Sommer- oder Winterreifen

Dass Ganzjahresreifen entweder verkappte Sommer oder Winterreifen sind, lässt sich trotz ihrer Neigung in die eine oder andere Richtung nicht so ohne weiteres behaupten. Alle Modelle schneiden auf warmer trockener Fahrbahn deutlich besser als der mitgetestete Winterreifen ab, während der mitgetestete Sommerreifen auf Schnee vollkommen versagte. Das heißt, die Bemühungen um einen guten Kompromiss haben sich durchaus in den Ergebnissen niedergeschlagen.

Qualitativ zugelegt

Schärfere Kriterien für neue Reifen

Mit diesem Jahr müssen neue Reifen übrigens das Schneeflockensymbol tragen, das schärferen Kriterien entspricht als das altbekannte M&S-Symbol, damit sie als Winterreifen gelten. Selbstverständlich sind alle getesteten Ganzjahresreifen damit auch ausgestattet. (Für bereits im Verkehr befindliche Pneus, die nur das M&S-Symbol besitzen, gibt es allerdings eine lange Übergangsfrist bis 2024.). 

Sommerreifen mit M&S

Dieser Ganzjahresreifentest unterscheidet sich doch recht erheblich von vergangenen Ganzjahresreifentests. Zugespitzt gesagt: Bisher gab es einige Reifenhersteller, die Sommerreifen für Sportwagen und Geländewagen ( die ohnehin nicht Offroad-Einsatz sind) mit dem M&S-Symbol versahen, damit sie als „Winterreifen“ auch mit niedrigerem Geschwindigkeitsindex montiert werden durften. Das hat im Hintergrund ein paar plausible Gründe, ist aber gefährlich, wenn man tatsächlich annimmt, diese Reifen wären für den Winter fit. 

Ernsthaft für Kleinwagen 

Hingegen sind die Ganzjahresreifen für Kleinwagen wirklich ernsthaft für den „All-Seasons“-Betrieb gebaut. Auch im Vergleich zum vergangenen Ganzjahresreifentest der unteren Mittelklasse haben die Kleinwagenreifen qualitativ zugelegt. Die Qualitätsfortschritte bei Sommerreifen für Kleinwagen stagnieren hingegen eher. Michelin hat überhaupt angekündigt, seinen Kleinwagen-Sommerreifen Energy Saver durch den Ganzjahresreifen Cross Climate zu ersetzen.

Kauftrend Ganzjahresreifen

Die Reifenhersteller kennen die Käufertrends naturgemäß am besten und sehen offenbar selber auch diese Tendenz zu Ganzjahresreifen bei Kleinwagen. Bei 5000 Kilometer im Jahr halten sich Alterung und Profilabrieb ungefähr die Waage.

Sommerreifen für den Winter: Das Thema Ganzjahresreifen ist nicht neu, ganz im Gegenteil. Bis in die 1990er Jahre wurden Sommerreifen auch auf ihre Wintereigenschaften getestet. Die Reifen damals waren noch nicht so kompromisslos auf die Jahreszeit hin ausgelegt. In Zeiten vor der Winterreifenpflicht erwartete man von jedem Sommerreifen gewisse Notlaufeigenschaften im Winter.

 

Produktfinder 4/2018: Ganzjahresreifen 175/65 R14

Klicken Sie auf den Link; er führt Sie zur Tabelle.

Filtern, vergleichen, sortieren, ausdrucken: In unserem Produktfinder stellen wir Ihnen Testergebnisse und Ausstattungsmerkmale von 9 Modellen zur Verfügung.

VKI-Tipps

Preisfrage: Ganzjahresreifen kosten ungefähr so viel wie Winterreifen, also etwa 15 Prozent mehr als Sommerreifen. Die Kosten für das Umstecken und Einlagern von Reifen schwanken stark, sind aber bei kleinen Dimensionen meist nicht niedriger als bei um ein Vielfaches teureren großen Rädern. Wenn man wenig fährt, enden die Reifen für Sommer und Winter schon an Altersschwäche noch bevor das Profil abgefahren ist. Diese Effekte sind bei Kleinwagen durch die tendenziell geringere Kilometerleistung und deutlich niedrigeren Reifenpreise viel stärker zu spüren. 

Kilometerleistung: Wer 10.000 Kilometer im Jahr und mehr zurücklegt, fährt mit  eigenen Sommer- und Winterreifen besser. Vielfahrer haben meist auch gar nicht die Wahl, das Auto bei schlechtem Wetter einfach stehen zu lassen. Tendenziell kommen die Nachteile von Ganzjahresreifen im harten Winterbetrieb am deutlichsten zu tragen, längerer Bremsweg auf Schnee, vor allem aber schlechtes Verhalten in Kurven. 

Fahrertyp: Wer Autofahren nicht ausschließlich als Fortbewegung zwischen A und B sieht, sondern auch die Fähigkeiten seines Autos nur einigermaßen nützen will, dem ist von Ganzjahresreifen definitiv abzuraten. Sie sind eindeutig ein Kompromiss, und es ergibt wenig Sinn, sehr viel Geld für ein Auto auszugeben, um sich dann bei den Reifen auf Mittelmaß einzuschränken.

Testkriterien

Ganzjahresreifen werden mit Sommer- und Winterreifen mitgetestet – entsprechend den jeweiligen Testkriterien.

Für Ganzjahresreifen gelten im Wesentlichen die Testkriterien für Winterreifen. Das gilt speziell für die Tests auf Schnee und auf Eis. Auf nasser und trockener Fahrbahn müssen sie hingegen bei wärmeren Bedingungen antreten – hier gelten die Testbedingungen für Sommerreifen. Verschleißtests werden je zur Hälfte bei warmen und kalten Temperaturen durchgeführt.

Alle Testkriterien für Autoreifen finden Sie hier: www.konsument.at/autoreifen

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